Eine Trägerrakete des Typs Delta 4 Heavy brachte in den frühen Morgenstunden mitteleuropäischer Zeit eine klassifizierte Nutzlast mit der Bezeichnung NROL-44 für das National Reconnaissance Office offenbar direkt in eine geostationäre Umlaufbahn. Vorausgegangen waren eine lange Reihe von Verschiebungen, die bis zurück bis zum 27. August reichen, als es einen ersten Startversuch gab. Damals hatten bereits die Triebwerke gezündet, aber dann wurde die Mission dennoch in allerletzter Sekunde abgebrochen. Der Beginn der Startvorbereitungen geht sogar zurück bis in den November 2019, dem Zeitpunkt an dem die Rakete erstmals zur Startrampe hinausgefahren worden war.
Dieses Mal verlief aber alles nach Plan, und die Startmission begann um 2:09 Uhr mitteleuropäischer Zeit, entsprechend 20:09 Uhr US-Ostküstenzeit am 10. Dezember, an der Startanlage 37B der Cape Canaveral Space Force Station. Es ist die erste Mission einer Rakete der Delta 4-Reihe seit der Außerdienststellung der Medium-Versionen dieses Typs. Die Heavy-Variante wird bis 2024 noch einige wenige Flüge absolvieren. Es ist im Übrigen auch die erste Mission seit der Umbenennung des Startzentrums am vergangenen Mittwoch von Cape Canaveral Air Force Station in Cape Canaveral Space Force Station.
Erst um 8:20 Uhr gab die United Launch Alliance bekannt, dass die Mission der Trägerrakete beendet sei. Ein Hinweis darauf, dass ein Direkteinschuss in den geostationären Orbit erfolgt war, der eine mehrstündige Driftphase bis zum Erreichen des Apogäums erfordert.
Die Aufgabe des Satelliten wurde nicht bekannt gegeben. Das ist bei Starts des NRO so üblich. Wie immer kann man den Missionszweck aber aus einigen Hinweisen eingrenzen. Erste Indizien waren im aktuellen Fall zunächst die so genannten „NOTAMS“ (Notice to Airmen) und NOTMARs (Notice to Mariners), die einen Hinweis auf die Flugbahn gaben. Die darin ausgewiesenen Abwurfzonen für die Booster, Erststufe und die Nutzlastverkleidungen ergaben, wegen der genau östlichen Flugbahn, einen klaren Hinweis, dass die Mission entweder auf eine geostationäre Transferbahn abzielte, oder aber direkt in einen geostationären Orbit. Demzufolge kann es sich fast nur um einen elektronischen Aufklärungssatelliten der Orion-Klasse handeln oder einen Nachfolgesatelliten dieser Reihe, die von Northrop Grumman gebaut werden.
Die ersten Orions wurden bereits in den 80iger Jahren gestartet, damals vom Space Shuttle Discovery aus. Die Nachfolgesatelliten wurden mit Titan 4-Raketen in den Orbit gebracht. Vier spätere Einheiten dieser Reihe wurden in den Jahren 2009, 2010, 2012 und 2016 mit Delta 4-Raketen gestartet und trugen die Bezeichnung „Advanced Orion“ (gelegentlich auch als „Mentor“ bezeichnet). Die Advanced Orions entfalten in ihrem Zielorbit gewaltige Antennen von der Größe eines Fussballfeldes. Sie sind dann so groß, dass sie trotz ihres großen Erdabstandes bereits mit einem kleinen Feldstecher ausgemacht werden können.
Beobachter nehmen an, dass NROL-44 ein Ersatz für den inzwischen elfeinhalb Jahre alten USA 202 ist. Es wird auch angenommen, dass die nächsten beiden Delta Heavy Starts in den Jahren 2022 und 2024 ebenfalls Orion-Satelliten in den Orbit bringen werden. Nach dem erfolgreichen Start erhielt der Satellit, wie bei US-Militärnutzlasten üblich ist, eine Zählnummer. Das war in dem Fall USA 311.
Bild: Start der Delta Heavy mit NROL-44; Quelle: ULA