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19jähriger Subzyklus einer Ostertafel des Beda Venerabilis - Auszug aus einer Handschrift der Stiftsbibliothek Melk aus der zweiten Hälfte des 9.Jhd . In 8 Spalten werden alle notwendigen chronologischen Elemente zur Konstruktion des Osterdatums: 1. Anni Domini, 2. Indictiones, 3. Epactes lunares, 4. Concurrent, 5. Ciclus Lunae (goldene Zahl) 6. Luna XIIII Pascae (Datum des zyklischen Vollmondes) 7. Dies Dominic Pasce (Ostersonntag) 8. Lun. ips. dies (zyklisches Mondalter am Ostersonntag; quasi Kontrollsumme) 8. gelegentlich auch historische Eintragungen zum Jahr. Bild: Stiftsbibliothek Melk, CM412 Dass der Ostersonntag der Sonntag nach dem ersten Frühlingsvollmond sei, wird  vielerorts als Allgemeinwissen betrachtet und kann auch als hinreichend genau angesehen werden. Umso mehr wird aber im Jahre 2019 Verwunderung darüber herrschen, dass der Ostertermin ganze vier Wochen nach dem Ostervollmond gefeiert werden wird. Was ist passiert? Ist der Mond vielleicht doch nicht mehr der Taktangebende in diesem Spiel?  >>Bildbeschreibung siehe unten

Wieviel Mond steckt noch in Ostern?

Eine kurze Geschichte über 2000 Jahre zyklische Osterberechnung

Gott hat die Zeit geschaffen, der Teufel den Kalender. (Erwin Chagaf)

Ostern ist ein kirchliches Fest, das sich nach dem Frühlingsvollmond richtet. So oder so ähnlich lernen wir es in der Schule. Aber woher stammt diese Bindung des Osterfestes an den Mond eigentlich? Die Kreuzigung, der Tod und die drei Tage später folgende Auferstehung1 Jesu fand - darin stimmen die vier Evangelisten überein - im zeitlichen Umfeld des Passah-Festes statt. Dieses wurde beim ersten Vollmond nach dem Frühlingsbeginn in Erinnerung an den Auszug aus Ägypten gefeiert.

Wie aber kam es nun zur Festlegung unseres Osterritus? Nachdem Jesus am Sonntag nach dem Frühlingsvollmondfest auferstanden ist, legte man im Jahr 325 am Konzil von Nicäa den Ostersonntag als den ersten Sonntag nach dem Frühlingsvollmond fest. Soweit bekannt sind alle direkten Protokolle des Konzils verloren gegangen. Wir wissen lediglich aus schriftlichen Zusammenfassungen - heute würde man dazu Conference Review letters sagen - an die Ferngebliebenen von diesen Beschlüssen.

Bei der Thematik der Osterrechnung handelt es sich jedoch nicht allein um die Bestimmung des Ostersonntages. Vom Termin des Ostersonntags hängen noch eine Reihe weitere, so genannte ‚bewegliche Festtage’ ab wie Aschermittwoch oder Pfingsten. Die Festlegung der Berechnungsweise überließ man den Astronomen, wodurch die kirchliche Kalenderrechnung, der so genannte ‚Computus Ecclesiasticus’ zum größten Aufgabengebiet der mittelalterlichen Astronomie wurde. Doch der Teufel steckt im Detail, wie wir bei Betrachtung der nächsten 1700 Jahren sehen werden. Zur Erinnerung: Wir sind noch immer im Jahre 325. Springen wir vielleicht zwecks eines besseren Verständnisses noch einmal 300 Jahre zurück...

Von wahren und von zyklischen Mondkalendern...

Vor 2000 Jahren wie auch heute wird dieses Fest der ungesäuerten Brote beim ersten Frühlingsvollmond gefeiert und soll an den Auszug aus der ägyptischen Sklaverei erinnern. Doch es besteht jedoch ein entscheidender Unterschied in der Berechnung des Festtermins zwischen damals uns heute.

Foto: Georg Zotti, Wien

Neulicht in der Abenddämmerung. Der Frühlings-Sichelmond steht höher als zu anderen Jahreszeiten. Diese besondere, liegende Mondsichel ist aber nur in südlicheren Breiten zu beobachten, hier in der Libyschen Wüste etwa 31.5 Stunden nach dem Neumond der Sonnenfinsternis 2006. (Foto: Georg Zotti, Wien)

Um die Zeit Christi war der jüdische Kalender noch ein auf Beobachtung basierender Mondkalender. Die Nullmarke in einem Mondkalender ist nicht, wie man voreilig vermuten würde, der Voll- oder Neumond. Da der Mond etwa drei Tage voll oder ‚gar nicht’ zu sehen ist, kann man von ihnen keinen exakten Nullpunkt ableiten. Die einzige Möglichkeit einer hochgenauen Bestimmung eines Nullpunktes bilden Sonnen- und Mondfinsternisse. Diese sind jedoch zu selten, als dass man anhand dieser einen Kalender synchronisieren könnte. Deswegen wich man auf das so genannte Neulicht aus. Dabei handelt es sich um das erste Sichtbarwerden der jungen Mondsichel am westlichen Abendhimmel. Da dieser Zeitpunkt als Monatsbeginn gewählt wurde, liegt es auch nahe, das Jahr und den Tag mit dem Neulicht anfangen zu lassen. Folglich findet im alten jüdischen Mondkalender der Datumssprung in der Abenddämmerung statt. Das jüdische Jahr nahm seinen Anfang mit dem Neulicht, dessen darauffolgender Vollmond auf einen Tag nach dem Frühlingsbeginn fiel.

Nachdem die Sichtung natürlich stark von geografischen und meterologischen Bedingungen abhängig ist, versuchte man den Zeitpunkt des Neulichtes vorauszuberechnen, um dann gegebenenfalls mit einer weiteren Neulichtsichtung zu synchronisieren. Die ersten Jahrzehnte feierte die christliche Urgemeinde ihr Osterfest gemeinsam mit dem jüdischen Passahfest. Dies änderte sich jedoch, als im Jahre 70 n.Chr. der römische Heerführer und spätere Kaiser Titus im Rahmen der Niederschlagung des jüdischen Aufstandes den Tempel zerstörte und die Juden aus Jerusalem vertrieb. Da der Kalender nicht mehr zentral von Jerusalem aus gesteuert werden konnte, sah sich das das Judentum dazu gezwungen, zu einem berechneten Mondkalender überzugehen. In diesem Moment trennen sich die Termine des Passah- und des Osterfestes, und das Christentum versuchte nun selbst, seine eigenen Berechnungsregeln zu definieren, was schließlich auch im Jahre 325 in Nicäa geschah: Festgelegt wurde der erste Sonntag nach dem ersten Frühlingsvollmond.

In Nicäa ließ man Mond Mond sein und ging zu einer zyklischen Berechnung über. Es dauerte jedoch bis ins 6. Jahrhundert, bis sich die christliche Kirche auf eine bestimmte Berechnungsart einigen konnte. In der zyklischen Berechnungsweise versucht man, mithilfe von Kalenderzyklen einen Osterzyklus zu konstruieren. Keine Sorge, das klingt komplizierter als es in Wirklichkeit ist, denn den mittelalterlichen Astronomen standen nur die vier Grundrechnungsarten zur Verfügung ... demnach könnte sogar ein Volksschüler den Ostertermin berechnen.

Das kleinste gemeinsame Vielfache von Sonne und Mond

Im Grunde läuft die Konstruktion des Ostertermins auf das Finden des kleinsten gemeinsamen Vielfachen von Mond- und Sonnenzyklus im julianischen Kalender hinaus. Zur Konstruktion des Ostertermins berechnet man den Cyclus Solaris und den Cyclus Lunaris. Vor der Kalenderreform betrug die Dauer dieser Kalenderzyklen 28 beziehungsweise 19 Jahre, sodass der große Osterzyklus 28 x 19 = 532 Jahre lang dauerte. Dies bedeutet, dass sich die Reihenfolge der Kalendertage, auf den die Ostersonntage fallen alle 532 Jahre wiederholen.

Mithilfe eines Kalenderzyklus lassen sich aus einer gegebenen Jahreszahl diesem Jahr bestimmte chronologische Eigenschaften zuordnen. So gibt der Sonnenzyklus die Abfolge der  Sonntagsbuchstaben im julianischen Kalender wieder. Da das Gemeinjahr 52 Wochen und einen Tag lang ist, wiederholen sich aufgrund des vierjährigen Schaltens im julianischen Kalender die Abfolgen der Sonntagsbuchstagen alle 4 x 7 = 28 Jahre in einem wiederkehrenden, gleich bleibenden Muster.

Der Mondzyklus basiert auf dem so genannten Metonschen Zyklus, der in (für damals) guter Näherung und mithilfe komplizierter Schaltregeln angibt, dass 19 julianische Jahre gut mit 235 synodischen Mondperioden übereinstimmen. Dieser 19jährige Zyklus wird mit den 'goldenen Zahlen' (numerus aureus) beschrieben. Indem man diese Approximation zur Beschreibung des Mondalters heranzog, wandte auch das Christentum dem Mond den Rücken zu und vertraute auf seine Berechnungen.

Die eigentliche Osterrechnung erfolgt nun dadurch, dass ausgehend von einem Stichjahr in dem die beiden Zyklen gemeinsam beginnen, entsprechend der beiden Zyklen chronologische Hilfselemente konstruiert werden. Die beiden wichtigsten Informationen dabei sind die Mondepakten, die das Mondalter am 1. Januar beschreiben, und der Sonntagsbuchstabe, der angibt, der wievielte Januar der erste Sonntag des Jahres ist. Es gab zwar für alle Elemente zyklische Berechnungsformeln, in der Regel wurden sie jedoch aus Tafelwerken abgelesen.

Wenn nun ein mittelalterlicher Computist durch eine einfache Rechnung die Position eines gegebenen Jahres im Sonnen- und Mondzyklus bestimmt hat, konnte er durch Ablesen einer Ostertafel den Termin des Ostervollmondes bestimmen. Eine weitere wichtige Information stellt der Wert des Concurrenten dar, der den Wochentag des 24. März gibt. Von diesem ausgehend konnte man wieder über eine einfache Restklassenrechnung den Termin des Ostersonntages bestimmen, wie folgendes Zahlenspielerei zeigen soll:

Wenn also der 24. März ein Mittwoch gewesen wäre und der Vollmond auf den 3. April fallen würde, lägen 10 Tage zwischen diesen beiden Daten. Zieht man die vollen Wochen, also 7 Tage von diesen 10 Tagen ab, bleiben 3 Tage übrig. Somit fiele unser Vollmond auf einen Samstag. Entsprechend der Regel wäre der 4. April der Ostersonntag dieses Jahres.

Das Kreuz mit den Rundungsfehlern...

Für die damaligen Verhältnisse waren die 28- und die 19jährige Approximation eine gute Näherung. Was die damaligen Astronomen dabei jedoch außer Acht ließen, waren die Rundungsfehler beider Zyklen. Einerseits dauert das tropische Jahr nicht 365,25 Tage, wie es für die Schaltregel des julianischen Kalenders angenommen wird, sonder ungefähr 365,2425 Tage. Dadurch verschiebt sich das Kalenderjahr gegenüber dem astronomischen um etwa 11 Minuten pro Jahr.

Auch beim Mondmonat wurden statt der heute sehr genau bekannten Dauer eines synodischen Mondmonats von 29,530589 Tagen in für damals guter Näherung eine Dauer von 29,5 Tagen verwendet. Die dabei entstehenden offensichtlichen Rundungsfehler wurden durch spezielle Schaltregeln zu eliminieren versucht. Dennoch stimmte der Metonsche Zyklus trotz komplizierter Schaltregeln nach Ablauf der 19 Jahre um 90 Minuten nicht mit dem wahren Mond überein, wodurch sich pro Jahr ein Fehler von etwa 5 Minuten ergibt.

...und der Versuch diese zu beheben

Foto: Georg Zotti, Wien

Aschgraues Mondlicht. Die dunkle Seite des Mondes wird von der Erde beleuchtet, am hellsten bei dünnen Mondsicheln. Mondalter hier 2.3 Tage. (Foto: Georg Zotti, Wien)

Bereits im frühen Mittelalter stellte man fest, dass diese Regeln nicht 100 Prozent den wahren Mondlauf wiedergaben. Allerdings summierten sich diese zuvor beschriebenen Rundungsfehler des Sonnen- und Mondzyklus über tausenddreihundert Jahre auf, sodass im Jahre 1582 die Gregorianische Kalenderreform notwendig wurde. Das Spätmittelalter hindurch wurde dieses Thema bereits unter Gelehrten disskutiert - ohne jedoch zu einer Lösung zu gelangen.

Der Mathematiker und Astronom Johannes Regiomontan, der im 15. Jahrhundert auch an der Univ. Wien arbeitete und lehrte, ging ganz von der zyklischen Berechnung ab und lieferte in seinem berühmten Kalender von 1474 die astronomischen Neu- und Vollmonddaten statt der mittleren. Dabei bediente er sich der Beobachtungsdaten von Sonnen- und Mondfinsternissen, da diese einzig den sehr genauen Zeitpunkt der Konjunktion oder Opposition wiederspiegeln. Somit konnte er auch die Abweichungen von den zyklischen Berechnungen genau studieren, sodass er die Fehler der kirchlichen Osterzyklenberechnung anhand von 30 Fällen von Abweichungen für den Zeitraum zwischen den Jahren von 1477 bis 1532 an Papst Sixtus IV darlegte. Diese Bemühungen scheiterten jedoch daran, dass Regiomontan 1476, nachdem er von Papst Sixtus IV nach Rom eingeladen wurde um daran an der Kalenderreform zu arbeiten kurz nach seiner Ankunft in Rom vermutlich an der Pest oder der Malaria erkrankt und verstorben sein dürfte.

Im 16. Jahrhundert hatten sich die Fehler des lunisolaren Kalenders bereits auf über 10 Tage im Sonnenkalender und mehr als vier Tage im Mondkalender aufsummiert. Deswegen hatten sich der zyklische und der tatsächliche Vollmond bereits um bis zu vier Tage voneinander getrennt, und der Frühlingsbeginn war mittlerweile auf den 11. März (julianischen Stiles) vorgewandert. Somit drohte Ostern, das ursprünglich ein Frühlingsfest war, in den Frühsommer abzugleiten.

Besonders drastisch sichtbar wurde diese Diskrepanz zwischen dem zyklischen und dem astronomischen Vollmond in den so genannten paradoxen Ostern. So werden Ostern genannt, wenn der astronomische Ostertermin von dem zyklisch berechneten Vollmond 4 bis 6 Wochen abweicht. Dies ist dann der Fall, wenn der astronomische Vollmond knapp nach Frühlingsbeginn stattfindet, die zyklische Berechnung den Vollmond jedoch vor dem Frühlingsbeginn vorhersagt. Im Mittelalter konnte diese Differenz bis zu vier Tage betragen. Entsprechend der Regel wird dann Ostern eine volle Lunation später gefeiert. Vielleicht können Sie sich, werter Leser die Verwunderung des einfachen Volkes über diese scheinbar willkürliche Differenz vorstellen, das zwar in den seltensten Fällen lesen aber sehr leicht anhand von Sonnenuhren den Tag der Tagundnachtgleiche bestimmten konnten.

Außerdem war eine Differenz von 4 Tagen zwischen dem vorhergesagten und dem astronomischen Vollmond kaum noch zu übersehen. In einer Zeit ohne effektive künstliche Beleuchtungen stellte der Mond noch eine wichtige Lichtquelle dar, sodass das Volk immer stärker nach den korrekten Vollmonddaten verlangte. Somit verwundert es kaum, dass die im 15. Jahrhundert durch Wiener Astronomen erstmals herausgegebenen Kalender mit wahren Voll- und Neumondzeiten zu Verkaufsschlagern wurden.

Damals wie heute?

Bislang haben wir uns nur mit der mittelalterlichen Osterrechnung beschäftigt. Aber wie wird heute der Ostertermin berechnet? Die Antwort ist: ganz genau so! Durch die erweiterten Schaltregeln des gregorianischen Kalenders werden der Sonnen- und Mondzyklus dermaßen verlängert, dass der daraus resultierende Osterzyklus von 532 Jahren auf 5.700.00 Jahre anwächst.

Zwar wurden durch die gregorianische Kalenderreform die Rundungsfehler größtenteils korrigiert. Da bis heute die Osterrechnung jedoch nach denselben zyklischen Prinzipien - mit prinzipiell den selben Fehlern - erfolgt, ist es nach wie vor möglich, dass der zyklische und der astronomische Vollmond um einige Stunden voneinander abweichen. Wenn dies ins unmittelbare zeitliche Umfeld des Frühlingsbeginns fällt, ist es somit bis heute möglich, dass der astronomische Frühlingsvollmond und der christliche Ostersonntag um bis zu 6 Wochen auseinander gleiten – ein Umstand, der im Jahr 2019 wieder eintreten wird.2

Astronomicus (geschrieben an den Iden des März im Kontrollraum des 82-Zoll-Teleskops des McDonald-Observatoriums, Texas, USA; Mein Dank geht an Georg Zotti für wertvolle Kommentare zu diesem Beitrag. Gedankt sei auch dem Team der Melker Stiftsbibliothek für ihr umfangreiche Unterstüzung)

 

Literaturempfehlung: Wem die kurz gefasste Darstellung dieses Problems nicht genügt, seien hier die umfangreichen Werke von Grotefend, Ginzel und Zemanek empfohlen.

Bild Melker Ostertafel: 19jähriger Subzyklus einer Ostertafel des Beda Venerabilis - Auszug aus einer Handschrift der Stiftsbibliothek Melk aus der zweiten Hälfte des 9.Jhd . In 8 Spalten werden alle notwendigen chronologischen Elemente zur Konstruktion des Osterdatums: 1. Anni Domini, 2. Indictiones, 3. Epactes lunares, 4. Concurrent, 5. Ciclus Lunae (goldene Zahl) 6. Luna XIIII Pascae (Datum des zyklischen Vollmondes) 7. Dies Dominic Pasce (Ostersonntag) 8. Lun. ips. dies (zyklisches Mondalter am Ostersonntag; quasi Kontrollsumme) 8. gelegentlich auch historische Eintragungen zum Jahr. Bild: Stiftsbibliothek Melk, CM412

Anmerkungen:
1) in der im Mittelalter häufig verwendeten Inklusivzählung
2) Frühlingsbeginn 2019: 20. März, 22:59