Am 5. Oktober brachte Roskosmos mit Sojus MS-19 neben dem Karriere-Kosmonauten Anton Schkaplerow bei seinem vierten Raumflug auch zwei so genannte „Raumflugteilnehmer“ (Spaceflight-Participants) zur ISS. Diese beiden Personen sind die Schauspielerin Julia Peresild und der Filmregisseur Klim Schipenko. Letzterer hat in Russland bereits durch eine Verfilmung der Geschichte der Rettung der Raumstation Salut 7 einen Namen. Damit befinden sich jetzt für die kommenden zwölf Tage insgesamt zehn Personen an Bord der Internationalen Raumstation.
Die Mission begann um 10:55 Uhr mitteleuropäischer Zeit an der Startanlage 31/6 des Kosmodroms von Baikonur. Weniger als zehn Minuten später hatte das Raumfahrzeug einen Übergangsorbit mit einem Perigäum von 200 Kilometern, einem Apogäum von 243 Kilometern und einer Bahnneigung zum Aquator von 51,67 Grad erreicht. Von dort aus begann der Anflug auf die ISS.
Das Docking-Manöver erfolgte knapp dreieinhalb Stunden später. Allerdings nicht ganz problemlos, denn zum wiederholten Maile fiel kurz vor dem Anlegemanöver das automatische KURS-Navigationssystem aus. Das stellte jedoch kein Problem für Kommandant Anton Schkaplerow dar, der ein perfektes manuelles Dockingmanöver flog und die Sojus mit zehn Minuten Verspätung am Nauka-Modul anlegte.
Es ist das erste Mal in der Geschichte der Raumfahrt, dass im Orbit ein Spielfilm gedreht wird. Anders als bei früheren „Weltraumtouristen“ war der Trainingsplan von Peresild und Schipenko stark reduziert. Das Lehrgangsprogramm für die beiden dauerte nur gute vier Monate. Viele Bereiche, die für frühere „Spaceflight-Participants“ noch zum Pflichtprogramm gehörten, fielen diesmal weg. So erhielten die beiden keinerlei Ausbildung zur Steuerung der Sojus. Die wurde für einen reinen „Ein-Mann-Betrieb“ modifiziert.
An den Szenen, die nun an Bord der Station gedreht werden, sollen neben der 37-jährigen Julia Peresild auch Anton Schkaplerow, sowie die beiden anderen russischen Mitglieder der Besatzung, Pjotr Dubrow und Oleg Nowitzki teilnehmen. Der US-Astronaut Mark Vande Hei soll assistierten. Der Film wird den Titel „Die Herausforderung“ tragen und die Story eines medizinischen Notfalls an Bord der Raumstation erzählen. Insgesamt bleibt die Crew zwölf Tage an Bord der ISS. Die Szenen an Bord sollen im späteren Film eine Dauer von etwa 30-40 Minuten einnehmen. Gedreht wird weitgehend im russischen Segment der Station, in den Modulen Poisk, Rasswet, Sarja, Swesda und Nauka.
Die Mission steht unter einiger Kritik, selbst in Russland selbst. Das reicht vom Vorwurf der illegalen Verwendung staatlicher Infrastruktur für kommerzielle Zwecke, über Bedenken weger einer zu kurzen Trainingszeit der beiden „Gastastronauten“ bis hin zum Einwand, dass professionelle Kosmonauten relativ kurzfristig wieder von dieser Mission entfernt wurden, um für Peresild und Schipenko Platz zu schaffen. Das Argument: wichtige wissenschaftliche Forschung sei verschoben worden, nur um das Drehen eines Unterhaltungsfilms zu ermöglichen.
Dimitri Rogozin, der Chef der russischen Weltraumagentur Roskosmos, bezeichnete das Unternehmen als „Experiment“. Man wolle damit auch feststellen, ob es der Agentur möglich ist, einen Menschen ohne jede vorherige Erfahrung auf diesem Gebiet in sehr kurzer Zeit für einen Raumflug zu präparieren.
Die beiden „Gäste“ werden am Ende ihrer Mission nicht mit Sojus MS-19 und Anton Schkaplerow zurückkehren, sondern mit Sojus MS-18 unter dem Kommando von Oleg Nowitzki. Schkaplerow wird sechs Monate an Bord der ISS bleiben, und erst Ende März 2022 zusammen mit Pjotr Dubrow und Mark Vande Hei landen. Diese beiden werden dann mehr als 350 Tage am Stück im Weltraum verbracht haben.
Nur wenige Wochen nach der Landung von Schkaplerow, Peresild und Schipenko wird bereits die nächste Crew mit „Privatastronauten“ aufbrechen. Mit Sojus 20 sollen neben dem Karrierekosmonauten Alexander Misurkin die beiden Japaner Yusaku Maezawa und Yozo Hirano ebenfalls für zwölf Tage zur ISS fliegen.
Bild: Startposter der Mission Sojus MS-19; Quelle: Roskosmos