Die United Launch Alliance (ULA) brachte am 13. November mit einer Trägerrakete des Typs Atlas 5 einen Aufklärungssatelliten des National Reconnaissance Office (NRO) auf eine Umlaufbahn hoher Inklination. Der Einsatz war gleichzeitig ein wichtiger Meilenstein für die Flugerprobung der zukünftigen Vulcan-Rakete der ULA, denn als Booster wurden erstmals Treibsätze des Typs GEM-63XL verwendet. Das ist derselbe Typ von Feststoff-Zusatzraketen welche auch die neue Vulcan-Rakete einsetzen wird.
Die Mission begann um 23:32 Uhr mitteleuropäischer Zeit (entsprechend 17:32 Uhr US-Ortszeit) an der Startanlage 41 der Luftwaffenbasis Cape Canaveral.
Die Atlas 5 flog bei diesem Einsatz in der Version 531, die theoretisch eine Nutzlast von etwa 15.500 Kilogramm auf eine niedrige Erdumlaufbahn bringen kann. Diese Version ist bislang bei den insgesamt 86 Einsätzen drei Mal zum Einsatz gekommen. Sie zeichnet sich dadurch aus, dass sie über eine Nutzlastverkleidung von 5,4 Metern verfügt, eine Startunterstützung von drei Feststoffboostern erfährt und in der zweiten Stufe mit einem einzelnen RL-10 Triebwerk ausgerüstet ist.
Dieses Mal wurde die Rakete statt mit den sonst üblichen Treibsätzen vom Typ GEM-60 mit drei Boostern der Version GEM-63XL ausgerüstet. Sie stellen eine gestreckte Version des bislang bei der Atlas 5 verwendeten GEM-60 Treibsatzes dar.
Nachdem sich das NRO stets über den Zweck ihrer Missionen bedeckt hält, sind Beobachter auf indirekte Hinweise angewiesen, um den Zweck des jeweils gestarteten Satelliten herauszufinden. Das ist dieses Mal besonders schwierig und hat noch nicht zum gewünschten Erfolg geführt.
Ein erster dieser indirekten Hinweise liegt in der eingeschlagenen Flugbahn, die dieses Mal entlang der östlichen US-Küste nach Norden führten. Damit kommen drei Typen von Satelliten in Frage, nämlich die Funkaufklärer der Trumpet-Klasse, die Kommunikationssatelliten der Quasar-Serie, die beide auf hoch elliptischen Molnija-Bahnen agieren, sowie die Marineüberwachungssatelliten der Intruder-Klasse, die auf niedrigen Orbits arbeiten. Allesamt bewegen sie sich auf einer Bahnneigung zum Äquator von 63,4 Grad.
Auf Umlaufbahnen mit dieser oder ähnlicher Bahnneigung (57 – 68 Grad) gibt es auch noch die älteren Onyx-Radaraufklärer. Allerdings haben deren Aufgaben seither weitgehend die Topaz-Raumfahrzeuge übernommen, die – gestartet von Vandenberg aus – auf retrograden Bahnen unterwegs sind. Auch die Bildaufklärer der Misty-Serie bewegten sich auf ähnlichen Bahnen (65 Grad). Von denen startete allerdings der Letzte schon vor über 20 Jahren. Man kann also davon ausgehen, dass diese Reihe nicht mehr in Dienst ist.
Die Verwendung der 23 Meter langen, 5,4-Meter-Nutzlastverkleidung könnte ein Hinweis darauf sein, dass der Satellit zwar nicht extrem schwer, aber sehr voluminös ist. Dies könnte möglicherweise ein Hinweis auf eine große Entfaltantenne sein. Über die verwendeten Version der Rakete, der 531, eine Schlussfolgerung anzustellen wird es schwierig, denn die wurde vom NRO noch nie eingesetzt. Die große Fairing wurde jedoch früher schon bei den Topaz-Radaraufklärern des NRO und den MUOS-Kommunikationssatelliten der US-Navy verwendet.
Allerdings ist es sehr unwahrscheinlich, dass es sich bei der Nutzlast von 13. November um einen Topaz-Satelliten handelt, denn die bewegen sich auf retrograden Bahnen. Und die Topaz-Raumfahrzeuge sind relativ leicht. Sie benötigen keine Startunterstützungs-Treibsätze und wurden bisher mit der Atlas 5 501 gestartet, also der Version ohne Starthilfsbooster.
Die große Fairing könnte auch ein Hinweis darauf sein, dass nicht einer sondern zwei Satelliten gestartet wurden. Dann könnte es sich um Intruder-Satelliten handeln, die stets paarweise starten. Vier dieser Paare sind derzeit unterwegs, das Älteste ist bereits knapp zehn Jahre alt und dürfte somit das Ende seiner technischen Lebensdauer langsam erreichen und müsste bald ersetzt werden.
Hinweise könnte auch der Missions-Patch geben. Das war zumindest in der Vergangenheit manchmal so. Auf diesem Patch ist die Zahl „4“ überrepräsentiert, was ein Hinweis sein könnte. Vier Sterne herausgehoben gegenüber einem Sternenhintergrund über dem Mittleren Osten. Es könnte also sein, dass es sich um die vierte Generation eines Satelliten handelt, sich vier Satelliten an Bord befunden haben, es sich um die vierte Einheit einer Serie handelt und so weiter.
All diese Spekulationen der „Spotter“ sind aber nur deutliche Hinweise darauf, dass man es eben nicht genau weiß, um welchen Satelliten es sich bei diesem Start handelt. Hier muss man auf weitere Hinweise wie Bahndaten oder die gelegentlichen Informationsbruchstücke des NRO warten, um das Puzzle zusammenzusetzen.
Im Übrigen hat die NROL-Nummerierung nichts mit einer Abfolge von Starts zu tun, sondern wird eher zufällig vergeben. Nach einem erfolgreichen Start erhalten die NRO-Satelliten ohnehin eine Zählnummer, wie sie auch für die anderen militärischen US-Satelliten üblich ist. Nachdem vor wenigen Tagen der von SpaceX gestartete GPS III-04 Satellit die Nummer USA 309 erhielt, wird NRO-L101 wahrscheinlich die Bezeichnung USA 310 bekommen.
Bild: Missionslogo NROL-101; Credit: ULA