Das war sicher einer der aufsehenerregendsten Fehlstarts in der Geschichte der Raumfahrt. Nicht etwa, weil der Flug in einer spektakulären Explosion endete, sondern weil die Rakete Manöver flog die man kaum jemals zuvor in der Geschichte der Raumfahrt gesehen hat. Protagonist des Spektakels war Astras „Rocket 3.3“. Es war der dritte Versuchsflug eines Kleinträgers dieses Unternehmens.
Die Mission begann um 0:45 Uhr mitteleuropäischer Zeit (entsprechend 15:45 Uhr lokaler Ortszeit am 28. August) an einer improvisierten Startanlage am Pacific Spaceport Complex in Kodia, Alaska. Noch im Moment des Liftoffs begannen sich die Dinge in eine ungewünschte Richtung zu entwickeln. Für den Beobachter sah es so aus, als würde das Lösen der Rakete vom Start-pad sehr „rauh“ erfolgen, möglicherweise wegen einer Interaktion mit der Bodenausrüstung.
Möglicherweise veranlasst dadurch fiel schon im Moment des Abhebens eines der fünf Delphin-Triebwerke aus. Das führte dazu, dass das Schub-Gewicht-Verhältnis (Thrust to weight ration) zunächst bei praktisch null lag. Die Rakete schien zunächst wegzukippen, fing sich aber schnell wieder und bewegte sich dann für einige hundert Meter seitwärts in unmittelbarer Bodennähe. Aufgrund des Treibstoffverbrauchs wurde die Rakete dann leichter, und der Schub der Triebwerke begann das Gewicht der Rakete zu übersteigen. Daraufhin begann ein langsamer aber stetiger Aufstieg mit einer weiterhin lateralen Bewegungskomponente.
Die vier verbliebenen Triebwerke funktionierten für 150 Sekunden (30 Sekunden vor einem nominalen Brennschluss) perfekt, die Rakete war aber zu diesem Zeitpunkt, verursacht durch das erratische Manöver zu Beginn und den ungenügenden Schub soweit vom erlaubten Flugkorridor abgekommen, dass die Triebwerke stillgelegt werden mussten. Sie dürfte nach dem Abfliegen der daraus resultierenden Bahnparabel eine Höhe von etwa 50 Kilometer erreicht haben.
Nachdem die Mission von vorneherein als Versuchsflug ausgewiesen war, mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit des Scheiterns, wurde lediglich ein Nutzlastdummy mitgeführt. Es war der dritte Fehlschlag in Folge. Beim Ersteinsatz, mit „Rocket 3.1“ am 13. September 2020, musste die Rakete bereits nach 30 Sekunden gesprengt werden, nachdem sie vom Kurs abgekommen war. Der Flug von „Rocket 3.2“ am 15. Dezember 2020 verlief – für eine reine Testmission - passabel. Beide Stufen funktionierten perfekt, allerdings ging der Rakete knapp vor Erreichen des Orbits der Treibstoff aus.
„Rocket 3.3“ war nun leicht modifiziert. Sie war 1,5 Meter länger und konnte daher mehr Treibstoff aufnehmen. Das Treibstoff-Oxidator-Mischungsverhältnis wurde geändert und die zweite Stufe war leichter. Damit hätte ein Einschuss in eine Erdumlaufbahn in 415 Kilometern Höhe mit einer Bahnneigung von 70 Grad gelingen sollen. Wenn sich eben nicht dieses Missgeschick beim Abheben ereignet hätte.
Eines der herausstechenden Features des Startdienstleisters Astra wird es sein (wenn seine Träger denn eines Tages problemlos funktionieren), dass die Rakete und die gesamte für einen Start notwendige Bodenausrüstung in einen einzelnen Standard-Schiffscontainer passen und im Prinzip innerhalb weniger Tage nach Ankunft dieses Containers mit der Unterstützung einer Startmannschaft von nur wenigen Personen überall in der Welt starten kann.
Astra ist seit Kurzem an der Börse notiert. Nach dem Fehlstart fiel der Kurs um neun Prozent. Einen kurzen Film über den missglückten Start zeigt dieses Video. https://www.youtube.com/watch?v=kfjO7VCyjPM
Bild: Vor dem Startversuch; Quelle: Astra