Nach schier unzähligen Pannen, Problemen und Verzögerungen (siehe: https://blog.space-jahrbuch.de/die-zitrone-der-bemannten-raumfahrt) begann Boeings Starliner am 5. Juni seinen ersten bemannten Einsatz. Die offizielle Bezeichnung der Mission lautet Boe-CFT (für: Boeing Crew Flight Test). Damit haben, vier Jahre nach dem bemannten Erstflug des Crew Dragon von SpaceX, die USA ein zweites bemanntes Raumtransportsystem im Rahmen des Commercial Crew Development Program zur Verfügung. Die Besattzung des Raumschiffs, das auf den Namen „Calypso“ getauft wurde, besteht aus zwei erfahrenen NASA-Astronauten, nämlich dem Kommandanten Barry „Butch“ Wilmore und der Pilotin Sunny „Suni“ Williams.
Als Träger für diesen und mindestens die sechs nächsten Starliner-Einsätze die Atlas 5 N22 eingesetzt. Sie verfügt über zwei Feststoffbooster und eine Centaur-Oberstufe mit zwei Triebwerken. Es war der 100. Start einer Atlas 5. Es war auch der erste bemannte Einsatz von der Cape Canaveral Space Force Station seit Apollo 7 im Oktober 1968, und der erste bemannte Flug auf einer Rakete mit der Bezeichnung Atlas (die damals aber komplett anders aussah) seit dem Flug von Gordon Cooper mit Mercury-Atlas 9 im Mai 1963.
Die Mission begann um 16:52 Uhr an der Startanlage 41 des Raumfahrtzentrums. 31 Minuten nachdem die Centaur das Raumfahrzeug zunächst auf einer suborbitale Bahn ausgesetzt hatte, brachten die Bordtriebwerke den Starliner auf einen elliptischen Übergangsorbit mit einem Perigäum von 75 Kilometer, einem Apogäum von 192 Kilometern und einem Bahnwinkel zum Äquator von 51,62 Grad. Ein weiteres Brennmanöver, das 75 Minuten nach dem Liftoff erfolgte, zirkularisierte den Orbit. Danach lag das Perigäum bei 321 Kilometern und das Apogäum bei 331 Kilometern.
Calypso ist schon einmal – unbemannt - in den Orbit geflogen und zwar bei der OFT-1 Mission im Dezember 2019. Bei diesem Einsatz kam es zu einigen dramatischen Fehlern, die zum Abbruch des Fluges nach nur zwei Tagen und beinahe zum Verlust der Kapsel führten.
Am 6. Juni legte Calypso um 18:15 Uhr mitteleuropäischer Zeit an der ISS an. Ein wenig überschattet ist die Mission von Problemen mit den Triebwerksventilen, Fehler, die auch schon die beiden früheren unbemannten Einsätze des Starliner beeinträchtigten. Um einen Work-around für dieses Problem finden musste die Crew eine erste Gelegenheit zum Anlegen an die ISS verstreichen lassen. Dafür scheint es nun für die Williams und Wilmore eine kleine Entschädigung zu geben, denn die ursprünglich auf nur sieben Tage angesetzte Mission wird aus organisatorischen Gründen auf mindestens elf Tage verlängert. Somit wird aus jetziger Sicht die Crew am 18. Juni in New Mexico landen.
Nach dieser Mission sieht die Startstatistik des Jahres 2024 wie folgt aus:
- USA: 61 (davon SpaceX: 58)
- China: 27 (davon 1 Teilversager)
- Russland: 8
- Neuseeland: 7
- Japan: 3 (davon 1 Fehlschlag)
- Indien: 2
- Iran: 2
- Nordkorea: 1 (davon 1 Fehlschlag)
Bild: Suni Williams macht ein Selfie von sich, Butch Wilmore und einer Fangruppe im Hintergrund