Das Aufstehen in völliger Dunkelheit fiel mir nicht gerade leicht. Musste aber sein, schließlich wollte ich die APOD-Leser nicht vergeblich auf die Übersetzung des Tagesbildes warten lassen, wenngleich ich hoffe, dass die meisten doch eher die reale Sonne als das virtuelle Bild betrachtet haben.
Als ich um 8 Uhr den Flakturm erreichte, war die Sonne gerade aufgegangen, und oben lehnten sich schon erste Beobachter mit Ferngläsern und Finsternisbrillen über die Brüstung. In der Hand hatte ich ein Programm des Astronomischen Vereins, also wies man mich zum Lift. 9. Stock. Es konnte mir nicht schnell genug gehen.
Oben eine Batterie optischer Geräte: Fernrohre, Ferngläser und jede Menge Kameras mit fetten Teleobjektiven. Alle anständig mit Folien oder Filtern versehen, ganz wie es sein soll. Die Aussicht war atemberaubend. Wie auf einer Darstellung der von Adalbert Stifter beobachteten Finsternis ragten in der Ferne Schlote auf, die riesige Rauchfahnen in den roten Morgenhimmel bliesen. (Es gibt übrigens eine alternative Darstellung, auf welcher der Rauch in die andere Richtung wehte - suchen Sie sich aus, welche Windrichtung die richtige ist :D)
Die Veranstaltung wurde von Prof. Hermann Mucke organisiert, den viele als ehemaligen Leiter des Wiener Planetariums in guter Erinnerung haben. So ist es wohl kein Wunder, dass auch zahlreiche Vertreter verschiedenster Medien ihre Kameras in verschiedene Richtungen wendeten und das Ereignis dokumentierten. Insgesamt herrschte ein veritables Gedränge auf der ausladenden Betonbrüstung.
Professor Mucke hat den Flakturm übrigens auch schon früher unsicher gemacht; und das Ehepaar Mucke mag zwar älter werden, aber nicht weniger schlagfertig. Frau Mucke beantwortete die Frage: "Wie gehts Ihnen?" mit "Wenn das alles hier vorbei ist, wird's mir noch viel besser gehen!" Und Herr Mucke fragte mich beim Abschied: "Was, glauben Sie, hat uns das alles hier gekostet?" Ich: "Was?" Er: "Nerven!"
Wenig überraschend stellte sich heraus, dass mit einer kleinen Kamera und Sonnenfilter keine tollen Fotos zu machen sind. Aber es verliert bekanntlich der, der es gar nicht erst versucht. Also experimentierte ich mit verschiedensten Perspektiven.
Der Blick durch verschiedene optische Geräte lehrte mich vor allem eines: das schönste Beobachtungserlebnis hat man mit einem normalen Fernglas, das mit Sonnenfiltern ausgerüstet ist. Natürlich warf ich auch immer wieder einen Blick durch eins der größeren Geräte, um eine ausgedehnte Fleckengruppe oder den großen Fleck auf der sonst makellosen Scheibe zu bewundern, aber dann kam ich doch immer wieder auf das Fernglas eines Bekannten zurück, das neben seiner Kamera platziert war.
Mit fortschreitendem Bedeckungsgrad wurde das Licht merklich fahler. Der Eindruck des Sonnenlichtes war wie an einem leicht dunstverhangenen Tag, nur dass die Luft so völlig klar war, wie sie eben nur an kalten Wintertagen ist, und kein Wölkchen (abgesehen von gelegentlichen Kondensstreifen) den Himmel verunzierte.
Aus der anfangs runden, nur leicht angeknabberten Sonne wurde mit der Zeit eine scharf geschnittene Sichel, die schließlich am Höhepunkt waagrecht am Himmel hing. Das Schöne an einer partiellen Finsternis ist, dass niemand sich Sorgen machen muss etwas zu verpassen - ähnlich wie bei einer totalen Mondfinsternis und ganz anders als bei einer totalen Sonnenfinsternis, bei der die Totalität nur wenige Minuten dauert.
Als der Mond die Sonne langsam wieder freigab, fand bei den meisten Besuchern die Geduld mit den winterlichen Temperaturen ein Ende, lockte doch das gut beheizte Haus des Meeres zu einem Besuch. Viele flohen ins Warme, trotz strengem Geruch nach nassen Socken im Gebäude. Frei lebende Tiere eben, da darf man nicht zimperlich sein.
Ich blieb noch, bis die Sonne abgesehen von einem kleinen Bisschen wieder frei war und nützte dann noch die Gelegenheit, einen Kaffee mit Bekannten zu trinken, die ich nur selten sehe, und die wirklich aufregende Fauna im Haus des Meeres zu beobachten. Danach ging ein wunderschöner Vormittag zu Ende, der mir lange in Erinnerung bleiben wird.
Nox