Babylonische Priesterastrologenastronomen und der Zodiacus
Wenn man eine beliebige Tageszeitung aufschlägt, findet sich im letzten Drittel eine halb-, manchmal sogar ganzseitige Werbeeinschaltung für das Astrologiegewerbe - die Tages- oder gar Wochenhoroskope. 12 Kästchen, die mit bunten Bildern illuminiert sind und gar Wunderbares versprechen.
Die "Erfinder" der Astrologie wären von dieser Art der Wahrsagerei und Prophetie vor den Kopf gestoßen. Als die Babylonier im zweiten Jahrtausend vor Christus den Himmel beobachteten, galt das hermeneutische Prinzip ("wie oben so unten") und die Bemühungen, das Schicksal von König, Volk und Land vom Himmel abzulesen entwickelte sich zur Hochblüte. Uns sind so genannte "Astronomische Tagebücher" auf Ton überliefert, auf denen die exakten, täglichen Beobachtungen der babylonischen Astronomen aufgezeichnet sind.
Neben den Positionen von Planeten, Mond und anderer Himmelskörper finden sich dort auch Nachrichten über das Leben im antiken Mesopotamien (z.B. "Heute ist ein Fuchs in die Stadt gekommen" - das war also ein seltenes Ereignis, oder „Der König ist heute gestorben“ - das ist der knappe, sachliche Hinweis auf den Tod Alexander des Großen). Konnte man übrigens einmal zum Beispiel ob Bewölkung keine nächtlichen Beobachtungen anstellen, vermerkte man in den Tagebüchern trotzdem die Positionen der Himmelskörper und kommentierte "Habe ich nicht beobachtet".
Im antiken Mesopotamien gab es noch keine Trennung zwischen Astronomie und Astrologie - man könnte sogar behaupten, dass die Astronomie ein Nebenprodukt der Astrologie war, denn die genauen astronomischen Aufzeichnungen benötigte man zum Ableiten der astrologischen Omina, aber das hören Astronomen nicht gerne! Aus den seltsamen und komplizierten Bewegungen der Himmelskörper wurde die Zukunft vorhergesagt.
Eine Sammlung von himmlischen Omina findet sich in MUL.APIN ("Pflugstern", nach dem ersten Wort, das auf der Tafel geschrieben ist), der für uns wichtigsten erhaltenen astronomischen Keilschrifttafel. Die Tafel stammt zirka aus dem Jahr 1000 vor unserer Zeitrechnung und enthält unter anderem Informationen über die Sterne im Weg der Sonne, des Mondes und der Planeten (also den Zodiak!), die relative Länge des Tages und der Nacht an den Solstitien und Äquinoktien, und eine Auflistung von Omina (nach dem Schema: X beim Aufgang Y, dann geschieht Z - zum Beispiel "Wenn Venus beim Aufgang schwach leuchtet, dann werden Geburten in diesem Jahr für Frauen schwer."). Oft betrafen Omina den König und manchmal auch dessen bevorstehenden Tod - diese Vorhersage hat die Babylonier mindestens einmal nachweislich höchst kreativ gemacht, denn zum Zeitpunkt des Omens hatte man einen ganz brauchbaren König an der Macht. Also setzten sie den König ab (er durfte aber als "Herr Bauer" weiterhin im Palast wohnen) und machten einen nobody zum Ersatzkönig. Dieser hatte nun 160 Tage, um "freiwillig“ das Zeitliche zu segnen - so lange galt ein Omen. Nach Ablauf der Frist wurde bei Bedarf "nachgeholfen" und der wirkliche König wieder eingesetzt. Ein Glück, dass Astrologen heutzutage nicht mehr auf solch drastische Maßnahmen zurückgreifen!
Eigenschaften und Qualitäten haben die Babylonier den Tierkreissternbildern nie zugeordnet, damit haben die Ägypter begonnen und von den Griechen wurde die Horoskopie dann zur mathematischen Wissenschaft weiterentwickelt. In Babylon gab auch die Zwölfzahl noch nicht, die Anzahl der Zodiakalsternbilder schwankt zwischen 18 und 11. Eingeführt wurden die Sternbilder als Messkreis, um die Aufzeichnungen der Beobachtungen zu erleichtern. Gemessen wurde in Fingerbreiten, Armbreiten und Armlängen. Irgendwann (um 400 vor unserer Zeitrechnung) hatten die Babylonier aber die scheinbar komplexen Bahnen der beweglichen Himmelskörper durchschaut und konnten die Positionen der Planeten und auch Sonnen- und Mondfinsternisse vorherberechnen (bei Finsternissen wurde die Regelmäßigkeit erkannt und die Möglichkeit einer Finsternis festgehalten - dass diese dann womöglich in Babylon gar nicht zu sehen war, war den Astronomen wohl bekannt) - und somit war der Zauber des Ablesens der Zukunft vom Himmel verflogen.
Astrologie war im antiken Babylon kein kostbares Gut, sie kostete nichts. Erst die griechischen Horoskopisten ließen sich ihre Dienste teuer bezahlen. Auch römische Kaiser hatten einen oder mehrere Haus- und Hofastrologen (nebst anderen Zukunftsehern). Wer heutzutage eine über das Gratishoroskop hinausgehende Persönlichkeitsanalyse auf Basis der Sterne wünscht, muss tief in die Tasche greifen. Die Sache mit der Präzession und den verschobenen Sternbildern ist dann eine andere Geschichte ... man liest sich!
Aratea