Auch die Amerikaner können Überraschungsstarts. Mit nur wenigen Tagen Vorlauf und praktisch keinerlei Informationen im Vorfeld an die Öffentlichkeit startete am 12. Juni 2021 zu nächtlicher Stunde eine Pegasus XL über dem Pazifik vor der Luftwaffenbasis Vandenberg. Die Mission trug die Bezeichnung “Tactically Responsive Launch 2”, kurz: TacRL-2. Der Satellit führt auch einen Eigennamen: Odyssey. Zweck der Mission war es, die Fähigkeit zu demonstrieren, einen neu entwickelten und gebauten Satelliten in sehr kurzer Zeit an den Start zu bringen. Zwei weitere Missionen dieser Art sollen in den nächsten beiden Jahren folgen.

Die Pegasus XL ist eine drei- oder vierstufige weitgehend feststoffbetriebene Kleinträgerrakete, die von einem Flugzeug aus gestartet wird. Dieses Trägerflugzeug ist eine modifizierte Lockheed 1011 (die einzige weltweit, die noch in flugfähigem Zustand ist) die den Namen "Stargazer" trägt. Sie trägt den Mikro-Launcher unter dem Rumpf auf seine Abschussposition und wirft ihn dort in etwa 12.000 Metern Höhe ab. Gleich danach zündet die Pegasus ihren Erststufenmotor und beginnt den Flug in den Orbit.

Die Mission des – für diesen Einsatz - dreistufigen Feststoffträgers begann um 1:09 Uhr pazifischer Zeit (entsprechend 8:09 Uhr mitteleuropäischer Zeit). Wenige Minuten später wurde Odyssey auf einer polaren, sonnensynchronen Umlaufbahn mit einem Perigäum von 405 Kilometern, einem Apogäum von 452 Kilometern und einer Bahnneigung von 97,48 Grad abgesetzt. Das Nutzlastgewicht für diese spezielle Umlaufbahn dürfte weniger als 150 Kilogramm betragen haben.

Über den Satelliten ist nur so viel bekannt, dass er vor weniger als einem Jahr in Auftrag gegeben wurde, weitgehend aus handelsüblichen Komponenten besteht und ein Technologiedemonstrator für „space domain awareness“ darstellt, ein Euphemismus für einen Satelliten, der andere Satelliten überwachen soll.

Auch der Träger wurde – für die an sich hoch komplexe Pegasus – in sehr kurzer Zeit startfertig gemacht. Zwischen Auftragserteilung und Start vergingen nur 21 Tage. Die Pegasus wird in den letzten Jahren immer seltener eingesetzt. Ihr Flug am 12. Juni war der erste Einsatz seit Oktober 2019 und erst der fünfte in den vergangenen zwölf Jahren.

Die Space Force bekam diese Pegasus offensichtlich zum „Schnäppchenpreis“ von 28,1 Millionen Dollar. Das ist etwa die Hälfte dessen, was die NASA bei früheren Pegasus-Starts bezahlt hat. Diese aktuelle Rakete ist jedoch ein „Restposten“ aus dem Stratolaunch-Projekt von Paul Allen, und sollte von dem gigantischen „Roc“-Trägerflugzeug aus gestartet werden. Allen bestellte seinerzeit zwei Pegasus. Northrop Grummann kaufte die beiden Raketen zurück, als nach Allens Tod das Projekt eingestellt wurde und dürfte froh gewesen sein, zumindest eine der beiden unter den heutigen Marktbedingungen eigentlich unverkäuflichen Raketen (weil viel zu teuer für das geringe Nutzlastgewicht) an die Regierung loszuwerden. Wenngleich mit einiger Sicherheit nicht zu einem gewinnbringenden Preis.

Bild: Stargazer-Trägerflugzeug mit der Pegasus XL unter dem Rumpf; Quelle: Northrop Grumman