Es ist ein wenig gespenstisch, wenn man sich dieser Tage auf die Shuttle-Homepage des Johnson Spaceflight Centers der NASA begibt, denn dort (links unten - remaining missions) findet ein seltsamer Countdown statt. Was hier heruntergezählt wird, sind nicht Stunden, Minuten und Sekunden bis zum Start eines Shuttles, sondern die verbleibende Anzahl der Missionen bis das Raumfährenprogramm ausläuft. Die Liste wird immer kürzer, und ist jetzt, zusammen mit der Mission STS 129, die ja schon unterwegs ist, nur noch sechs Positionen lang. Nur noch fünfmal wird also ein amerikanischer Shuttle in den Orbit starten, sollte sich nicht Präsident Obama für eine - in jedem Fall nur begrenzte - Programmverlängerung entscheiden.
Im Shuttle-Programm gab es oft Probleme. Verzögerungen in den Vorbereitungen und beim Start waren an der Tagesordnung. Nichts war von alledem beim Beginn der Mission STS 129 zu erleben. Die Fähre Atlantis und ihre Crew starteten auf die Sekunde pünktlich zum vor Wochen geplanten Starttermin zu einem Versorgungsflug zur Internationalen Raumstation. Und dies bei strahlendem Wetter, so als wollte dieser traumhafte Missionsbeginn die Bemühungen der NASA ad absurdum führen zu wollen, die Shuttle-Flotte ende kommenden Jahres ein für alle Male stillzulegen.
Der Liftoff unter dem Kommando von Charlie Hobaugh war am 16. November um 20:28 Uhr mitteleuropäischer Zeit erfolgt. In Florida war es da noch sechs Stunden früher, nämlich 14:28 Uhr. Der Aufstieg in den Orbit verlief komplett problemlos. Auch Schaumstoffteile fielen dieses Mal offensichtlich noch nicht einmal in kleinen Mengen vom Außentank ab. Normalerweise sind abplatzende Stücke der Isolation eine permanente potentielle Gefahrenquelle für den Shuttle.
Commander Hobaugh kennt alle Höhen und Tiefen des Programms. Während der fatalen Mission STS 107, dem letzten Flug der Columbia, war er als Verbindungsmann in Houston zur Crew eingesetzt gewesen, als "CapCom" wie es im Jargon der NASA heißt. Er erlebte ihren Tod unmittelbar mit. Inzwischen ist er jetzt dreimal mit dem Shuttle in den Orbit gestartet und zweimal wieder mit ihm gelandet. Auch eine Möglichkeit, ein Trauma zu verarbeiten.
Der Charakter der Mission ist ein deutlicher Hinweis darauf, dass das Shuttle-Programm langsam aber sicher dem Ende entgegen geht. Die Raumfähre transportiert nämlich 15 Tonnen Ersatzteile für die ISS. Alles Teile, welche die Station derzeit überhaupt nicht benötigt. Sie sind aber so groß, massiv und sperrig, dass sie mit keinem anderen Transportsystem als dem Shuttle zur Raumstation gebracht werden können. Dies bedeutet in der Praxis, dass die Teile bis zu ihrem Einsatz - irgendwann in der Zukunft - an Bord der Station gelagert werden. Und eigentlich auch nicht direkt "an Bord", da würden sie zuviel Platz wegnehmen, sondern eher im "Freien", an der "Bordwand" der Station. Auf speziellen Paletten, die an der Zentralstruktur der ISS montiert sind.
Mit an Bord der Atlantis bei dieser 129. und sechstletzten Mission des Shuttle-Programms sind neben Commander Hobaugh der Pilot Barry "Butch" Wilmore, der seinen ersten Flug unternimmt und die Missionsspezialisten Leland Melvin, Michael Foreman, Randolph Bresnik und Robert Satcher. Forman und Melvin waren jeweils bereits einmal im Orbit. Die drei anderen Nutzlastspezialisten sind "Rookies", Weltraum-Neulinge also.
Neben der Anlieferung der Ersatzteile besteht eine weitere Hauptaufgabe des Einsatzes darin, die ISS-Bordingenieurin Nicole Stott wieder zur Erde zurück zu bringen. Wenn Atlantis planmäßig zur Erde zurückkehrt, wird sie 91 Tage im Weltraum verbracht haben.
Das Anlegemanöver an der Station erfolgte am 18. November um 17:51 Uhr mitteleuropäischer Zeit. Knapp zwei Stunden später wurden die Luken geöffnet und das knapp neuntägige gemeinsame Arbeitsprogramm konnte beginnen.