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Fast auf den Tag genau 48 Jahre nach dem Flug der ersten Saturn-Rakete - der Saturn 1 Block 1 - machte sich heute mit der Ares 1-X wieder der Prototyp eines zukünftigen Raumtransportsystems auf den Weg. Die Saturn 1 startete seinerzeit von dem heute nur noch als historisches Monument existierenden Startkomplex 34 der Cape Canaveral Luftwaffenbasis.  Die Ares 1-X begann ihre kurze Reise vom Shuttle-Startkomplex 39B. Wie damals bei der Saturn 1 war auch beim heutigen Flug nur die erste Stufe aktiv. Oberstufe und die Nutzlast bestanden aus Dummies, welche diese Komponenten in Form und Gewicht simulierten.

Die Ares 1 ist mehr als 40 Meter höher als der Shuttle und wiegt beim Abheben soviel wie zwei beladenen Jumbo-Jets. Die Einzelteile des beim heutigen Starts eingesetzten Boosters, einer nur wenig modifizierten Starthilfsrakete aus dem Shuttle-Programm, waren in den Jahren 1985-2000 an 30 Shuttle-Missionen beteiligt.

Eigentlich sollte die Rakete bereits am gestrigen Dienstag starten. Da herrschten aber nicht die idealen Wetterbedingungen, die sich die Verantwortlichen gewünscht hatten. Die Luft war diesig, es gab viele hohe Wolken und die Windgeschwindigkeit auf der Rampe und in der Stratosphäre war am Ende des erlaubten Limits, das durch die strukturellen Grenzen der Rakete vorgegeben ist. Daneben gab es noch eine Reihe kleinerer technischer Probleme. Als schließlich – bereits mehr als zwei Stunden nach der Öffnung des Startfensters - alles passte, fuhr zu allem Überfluss ein Frachtschiff in die 240 Kilometer vor Cape Canaveral gelegene Bergungszone ein, und musste erst von der Küstenwache heraus gegleitet werden. Kaum war das erfolgt, waren die Wetterbedingungen wieder auf "rot". Schließlich war das vier Stunden lange Startfenster abgelaufen und der Start musste abgesagt werden.

Am heutigen Mittwoch schien sich das Wetterdrama fortzusetzen, obwohl die Bedingungen rein optisch gut aussahen. Dem war aber nicht ganz so, und physikalisch eher ungeschulte Beobachter bekamen die Chance, ein neues Wort der englischen Sprache zu lernen. Ein Wort, das selbst den meisten Muttersprachlern nicht geläufig sein dürfte, sofern sie nicht eine naturwissenschaftliche Ausbildung absolviert haben: "Triboelectrification". Ein Begriff, der mit der statischen Elektrizität (eigentlich eher mit der Bewegungselektrizität) zu tun hat, welche die Rakete beim Durchfliegen bestimmter Wolkentypen und unter bestimmten Temperaturbedingungen erzeugen kann.

Normalerweise ist dieses Phänomen kein wesentliches Problem. Die Oberflächen von Einsatz-Trägern sind weitgehend antistatisch ausgelegt und alle elektrischen Systeme vertragen die möglichen Spannungsdifferenzen.  In diesem Fall eines "one of a kind"-Prototypen aber wollte man auf Nummer sicher gehen, denn statische Elektritzität kann die Übermittlung von Daten von und zur Rakete behindern. Es könnte auch das Zerstörungskommando des "Range Safety Officiers" blockieren, für den Fall dass die Rakete vom Kurs abkommt (bei Einsatzgeräten ist stets ein autonomes Back-up System an Bord des Trägers).

Statische Elektrizität kann auch Einfluss auf die mehr als 700 Sensoren haben, die sich zu einem erheblichen Teil an der Außenhülle der Testrakete befinden und ihre Daten direkt zur Bodenstation senden. Bei einem derart wichtigen Testflug dürfen keine Lücken in der Datenübermittlung auftreten, und so gingen praktisch alle Verschiebungen des heutigen Tages auf die Kappe dieses eher abgelegenen Problems.

Auch heute war das Startfenster wieder vier Stunden lang, und es musste fast in voller Länge in Anspruch genommen werden. Gleich am Anfang kam es zu Verzögerungen weil die gesamte elektrische Ausrüstung der Rakete eingehend geprüft werden musste nachdem in der Nacht über Cape Canaveral ein schweres Gewitter niedergegangen war und in unmittelbarer Nähe der Ares 1-X Blitzeinschläge erfolgt waren.

Die nur wenige Minuten lange Mission sollte an sich um 13:00 Uhr beginnen. Am Ende wurde es dann 16:30 Uhr mitteleuropäischer Zeit, als der Feststofftreibsatz zum Leben erwachte und die fast 100 Meter hohe Rakete mit dem charakteristischen hellen Knattern eines Shuttle-Boosters die Startrampe verließ und in einem eleganten Bogen auf den Atlantik hinaus flog.

Sechs Sekunden nach der Zündung hatte die Rakete den Startturm passiert. Nach 38 Sekunden war die Schallmauer durchbrochen. Zwei Minuten und vier Sekunden nach dem Abheben erfolgte der Brennschluss und die Trennung von der Attrappe der Oberstufe.

Nach der Trennung der beiden Elemente kam es durch den Restschub des Boosters zu einem erneuten Kontakt der beiden Elemente, was in der überaus befremdlichen Ansicht endete, dass die erste Stufe in einem flachen Winkel über der zweiten Stufe trudelte. Diese Phase war zwar nicht mehr Bestandteil der Testmission zeigte aber deutlich, dass dem Stufentrennverhalten der Ares 1, sollte sie tatsächlich fertig entwickelt werden, besonderes Augenmerk geschenkt werden muss. Trotz des Kontaktes der beiden Stufen landete die erste Stufe wie vorgesehen etwa 240 Kilometer vor Cape Canaveral am neuen Ares 1-Fallschirmsystem, das bei dieser Mission ebenfalls getestet wurde.

Der Oberstufendummy versank – ebenfalls wie vorgesehen - im Meer.

Die Ares X-1 Mission war schon vor vier Jahren als ein früher Flugtest im Constellation-Programm konzipiert worden. Er sollte das Verhalten der ungewöhnlich schlanken Kombination im flugdynamisch schwierigen Bereich der unteren Atmosphäre testen und vor allem das Vibrationsverhalten der Kombination praktisch erproben. Bob Ess, der Programmdirektor dieser Testmission bezeichnete den Erstflug einer Ares-Rakete als vollen Erfolg.

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