Die 16. Trägerrakete vom Typ Atlas 5 brachte gestern am frühen Abend amerikanischer Ostküstenzeit zwei der bedeutendsten Nutzlasten dieses Raumfahrtjahres auf eine Transferbahn in Richtung Mond. Unter der Nutzlastverkleidung des Trägers befanden sich die beiden Mondsonden LRO und LCROSS, die zusammen mit Wert von 583 Millionen Dollar repräsentieren. Diese zwei Raumfahrzeuge sollen die Voraussetzungen für zukünftige bemannte Missionen zum Erdtrabanten schaffen und nach möglichen Vorkommen von Wassereis an den Polen des Erdtrabanten forschen.
LRO soll zukünftig den Mond aus einer extrem niedrigen Umlaufbahn von nur 50 Kilometern Höhe unter die Lupe nehmen, während LCROSS 350 Tonnen Mondgestein durch die Einschlagswucht der zweiten Stufe seiner Trägerrakete pulverisieren und die daraus resultierende Wolke chemisch analysieren soll. Dabei wird ein 22 Meter durchmessender Krater entstehen. Die Explosion wird so stark sein, dass sie von der Erde aus mit leistungsfähigen Teleskopen beobachtet werden kann.
Der Liftoff der beiden Sonden war wegen eines im Brevard County durchziehenden Gewitters um 20 Minuten verschoben worden und konnte erst am letzten der drei für den gestrigen Abend berechneten Startzeitpunkte durchgeführt werden. Aber um 23:32 Uhr mitteleuropäischer Zeit, entsprechend 17:32 Uhr amerikanischer Ostküstenzeit, erwachte das RD-180 Zweikammertriebwerk der ersten Stufe der Atlas 5 zum Leben. Der Träger startete in der Version 401. Dies ist die leistungsmäßig schwächste Version dieses an sich recht großen Trägers, ausgestattet mit der kleinstmöglichen Nutzlastverkleidung. In dieser Version werden keine Startbooster verwendet, was die ersten 30 bis 40 Sekunden des Aufstiegs von der Startanlage 41 der Cape Canaveral Air Force Station gemächlich, ja geradezu majestätisch langsam erscheinen ließen. Gleich danach verschwand die Rakete in der geschlossenen Wolkendecke, die in der Folge des Gewitters entstanden war.
Eine knappe Dreiviertelstunde nach dem Abheben befanden sich die beiden Raumfahrzeuge auf der vorgesehenen Transferbahn zum Mond.
Der 504 Millionen Dollar teuere Lunar Reconnaissance Orbiter ist mit insgesamt sieben Instrumenten und Kameras ausgerüstet. Er soll vor allem einen vollständigen Atlas hoher Auflösung für zukünftige bemannte Landungen schaffen. Aber auch "Weltraum-Archäologie" ist mit ihm möglich. Erstmals können mit dem LRO früher abgesetzte oder abgestürzte Landesonden aufgefunden werden. Das gut zwei Tonnen schwere Raumfahrzeug soll aber nicht nur Bilder machen, sondern auch die Intensität der kosmischen Strahlung am Mond messen und die mineralogische und chemische Zusammensetzung des Mondbodens erkunden. Die Primärmission ist für ein Jahr angesetzt, es wird aber erwartet, dass das Raumfahrzeug einige weitere Jahre im Einsatz bleiben wird.
Nachdem sich LRO eine Dreiviertelstunde nach dem Start von LCROSS/Centaur getrennt hatte, flog er jetzt alleine zum Mond weiter. Am Dienstagmorgen wird das entscheidende Bremsmanöver für das Einschwenken in die Mondumlaufbahn stattfinden. Verläuft alles nach Plan, wird sich LRO danach in einem elliptischen Orbit mit einem höchsten Bahnpunkt von 216 Kilometern und einem niedrigsten Bahnpunkt von nur 30 Kilometern befinden. Danach wird die Bodenkontrolle einige Wochen benötigen, um die volle Einsatzfähigkeit von LRO herzustellen, alle Systeme auszuchecken und zu kalibrieren und das Raumfahrzeug nach und nach auf seinen Arbeitsorbit zu manövrieren.
LRO's Wegbegleiter, der 79 Millionen Dollar teure "Lunar Crater Observation and Sensing Satellite", kurz LCROSS, hat eine wesentlich geringere Lebenserwartung als LRO. Nachdem sich LRO von der Centaur-Oberstufe verabschiedet hat und seiner eigenen Wege gegangen ist, hat nun LCROSS die Kontrolle über die Centaur übernommen. Das Duo ist jetzt in einer viermonatigen Transferphase in der es einige Male zwischen Erde und Mond hin- und herpendelt bevor am Ende der Einschlag auf dem Mond erfolgen wird.
Wenn alles klappt, wie geplant, wird LCROSS die Centaur und sich selbst am 9. Oktober dieses Jahres in einer spektakulären Kamikaze-Aktion in der Nähe des Mondsüdpols selbst vernichten. Etwa neun Stunden vor dem Aufschlag wird sich LCROSS von der Centaur trennen. Dann führt das Raumfahrzeug ein Trennungsmanöver durch, um einen Abstand von vier Flugminuten zwischen den beiden Vehikeln zu schaffen. Nur dann kann LCROSS den Einschlag der Centaur beobachten, Analysen durchführen und Daten zur Erde senden, bevor er schließlich selbst auf dem Mond einschlägt.
Die 2,5 Tonnen schwere Centaur wird mit fast 9.000 Kilometer pro Stunden in den Mond hineinrasen und dabei einen mehr als 20 Meter durchmessenden und vier Meter tiefen Krater erzeugen. Das Oberflächenmaterial, das bei diesem Aufschlag ausgeworfen wird, soll wird von LCROSS, der auf dem gleichen Flugweg der Stufe hinterher fliegt mit insgesamt neun Instrumenten ausgewertet werden. 240 Sekunden nach dem Einschlag der Centaur wird auch er nur wenige Kilometer entfernt seiner Vernichtung entgegenfliegen, aber erst, nachdem er hoffentlich alle Messdaten zurück zur Erde gesendet hat.
Auch von der Erde aus, ja sogar von der Erdumlaufbahn aus, wir der Einschlag verfolgt, angefangen vom Hubble-Space Telescope bis hin zu Amateurinstrumenten. Alle werden dann nach dem Blitz Ausschau halten, der zunächst den Untergang der Centaur anzeigt und dann den Einschlag von LCROSS.
Die LRO/LCROSS Mission ist der erste Mondflug der NASA seit den Tagen von Lunar Prospector im Jahre 1998, und das war seinerzeit eine eher bescheidene Mission.
Das Duo wird zur selben Stunde, in welcher der Lunar Reconnaissance Orbiter sein etwa einstündiges Bremsmanöver zum Erreichen der Mondumlaufbahn unternimmt um den Erdtrabanten herumschwingen und sich auf den Rückweg zur Erde machen. Danach befindet er sich auf einer hochexzentrischen Erdumlaufbahn, die ihn etwa alle acht Tage bis zur Mondbahn hinaus führt. Auf dieser Bahn bereitet er sich für den Einschlag auf dem Mond am 9. Oktober, etwa um 8:30 Uhr morgens mitteleuropäischer Zeit vor.