Fast exakt zur selben Minute in der 550 Kilometer über der Erde die beiden amerikanischen Astronauten John Grunsfeld und Andrew Feustel die Luftschleuse der Raumfähre Atlantis verließen um mit der Grundüberholung des Hubble-Space Telescops zu beginnen, startete vom europäischen Raumflughafen Kourou in Französisch Guyana eine Ariane 5 ECA. Sie beförderte die beiden Weltraumteleskope Herschel und Planck auf die Bahn zu einer Position im Weltraum, in der sie in vierfacher Mondentfernung neue Erkenntnisse über die Entstehung des Kosmos zur Erde übermitteln sollen.
Die etwa 1,9 Milliarden Euro teure Mission, mit weitem Abstand die teuerste in der europäischen Raumfahrtgeschichte, nahm bei leichter Bewölkung um 10:12 Uhr Ortszeit in Französisch Guyana ihren Anfang. In Mitteleuropa war es da 15:12 Uhr.
Hier die wichtigsten Ereignisse dieses Starts:
Zwei Minuten und 30 Sekunden nach dem Verlassen der Startrampe waren die beiden Feststoffbooster ausgebrannt, die in der Anfangsphase des Unternehmens für 90 % des –Schubs gesorgt hatten.
Vier Minuten und drei Sekunden nach dem Abheben wurde die gewaltige Schutzverkleidung an der Spitze der Rakete abgeworfen, die bis zu diesem Zeitpunkt die Nutzlast vor dem Fahrtwind und der thermischen Aufheizung durch die Reibungswärme geschützt hatte. Die Fairing verblieb bei dieser Mission einige Sekunden länger an der Rakete, um der hoch empfindlichen Nutzlast optimalen Schutz zu geben.
Neun Minuten und 15 Sekunden nach dem Verlassen der Startrampe, bei einer Geschwindigkeit von gut 7 Kilometer pro Sekunde und einer Flughöhe von 195 Kilometern war die erste Stufe ausgebrannt und wurde abgeworfen. Wenige Sekunden später zündete das HM-7B Triebwerk der zweiten Stufe für eine Brenndauer von 15 Minuten und 24 Sekunden.
Um 15:36:25 Uhr war die geplante Brennschlussgeschwindigkeit von 9.967 Meter pro Sekunde erreicht und das Triebwerk schaltete ab. Gleich danach begannen die Lageregelung der Stufe das Vehikel für die Trennung des Herschel-Teleskops auszurichten.
25 Minuten und 58 Sekunden nach dem Verlassen der Startrampe gab die zweite Stufe der Ariane 5 "Herschel" frei und begann sich danach für den Abwurf des SYLDA-Adapters auszurichten.
27 Minuten und 25 Sekunden nach dem Liftoff war auch die SYLDA abgetrennt, und Planck war zum ersten Mal dem Weltraum ausgesetzt. Erneut richtete sich die Oberstufe aus.
28 Minuten und 28 Sekunden nach dem Abheben wurde auch Planck freigegeben. Damit war die Mission der Trägerrakete beendet und der Einsatz der Weltraumteleskope begann. Die Ariane 5 hatte ihren 30. erfolgreichen Einsatz in Folge absolviert.
Um 13:50 Uhr fing die ESA-Bodenstation in Westaustralien die ersten Funksignale der beiden Raumfahrzeuge auf. Sie hatten den Start gut überstanden.
Es ist das erste Mal, dass eine Ariane-Trägerrakete den 1,5 Millionen Kilometer entfernten Lagrange-Punkt 2 zum Ziel hatte. Dort werden die beiden Sonden so genannte Lissajous-Orbits ansteuern. Eine sehr anschauliche Erläuterung über diesen bevorzugten kosmischen Abstellplatz finden Sie in diesem Artikel Michael Khan. (http://www.kosmologs.de/kosmo/blog/go-for-launch/allgemein/2009-04-25/lagrange1
Die Wissenschaftler der ESA und den Raketeningenieuren von Astrium, der Raumfahrtsparte der EADS, war vor dem Start ziemlich flau im Magen, waren doch zwei der teuersten Nutzlasten, die Europa je gebaut hat, gemeinsam auf eine einzelne Trägerrakete gepackt worden. Wäre der Start gescheitert, hätte das die Träume und Hoffnungen vieler Wissenschaftler mit zerstört.Die Start-Statistik der Ariane 5 ist von gemischter Qualität. Von den insgesamt 43 Ariane 5 Starts aller Versionen scheiterten immerhin zwei komplett, bei zweien wurde die vorgesehene Umlaufbahn nicht ganz erreicht.
Allerdings ist dieser Träger inzwischen aus den Kinderkrankheiten heraus. Die letzten 29. Starts verliefen allesamt perfekt, und von den 18 Flügen der ECA-Variante ging überhaupt nur eine schief, und das war der Erstflug im Dezember 2002.
Das kombinierte Gewicht der beiden Nutzlasten betrug 5.322 Kilogramm. Zusammen mit der SYLDA Dispenser (SYLDA steht für "SYstème de Lancement Double Ariane" - Also "System für Ariane-Doppelstarts") der ja dieselbe Bahn erreicht, waren es knapp über 6.000 Kilogramm. Die beiden Raumsonden waren dabei an der Spitze der Rakete gleichsam aufeinander gestapelt. Planck im inneren der SYLDA-Schutzkapsel, Herschel obenauf.
Die angesteuerte Bahn ist ungewöhnlich. Statt des üblichen geostationären Transferorbits, den die Ariane 5 ECA sonst zum Ziel hat, wurde diesmal ein extrem hochexzentrischer Erdorbit angeflogen. Eine extrem langgestreckete, sich über 1,2 Millionen Kilometer erstreckende Ellipse mit der Erde im unteren Brennpunkt. Der Geschwindigkeitsbedarf ist um mehr als 2.000 Kilometer pro Stunde höher als bei einem kommerziellen Einsatz.
Nach der Freigabe der beiden Raumfahrzeuge müssen die beiden Raumfahrzeuge nur noch eine Geschwindigkeitsdifferenz von etwas über sechs Meter pro Sekunde aus eigenen Kräften bewältigen, um den Librationspunkt 2 anzusteuern und noch mal einige wenige Meter pro Sekunde, um in die vorgesehene Lessajous-Orbits einzuschwenken. Verglichen mit der brutalen Kraftanstrengung des Starts ist das nur noch minimales (aber deswegen nicht weniger schwieriges) Feintuning.
Bilder: ESA-Bildergalerie auf Flickr