Gestern habe ich über das politische Umfeld des versuchten nordkoreanischen Satellitenstarts berichtet. Heute nun die technischen Aspekte und die Bewertung des militärischen oder zivilen Status der Mission.
Dazu gibt es jetzt, einige Tage nach dem Start, bei YouTube erste Filmaufnahmen, welche die bessere Interpretation einiger Engineering-Details zulassen. DigitalGlobe stellt außerdem noch einige sensationelle Fotos zur Verfügung, (hier und hier) zur Verfügung - aufgenommen vom Satelliten WorldView1 - die den Start der Rakete von Musadan-Ri aus zeigen. Die Bilder sind schon deswegen so sensationell, weil die Wahrscheinlichkeit, dass ausgerechnet zum Startzeitpunkt einer der wenigen zivilen Erdbeobachtungssatelliten mit hohem Auflösungsvermögen genau über den Startort fliegt, fast so gering ist wie ein Haupttreffer im Lotto.
Die Taepodong 2 beinhaltet viele Features, die wir vor wenigen Wochen bereits beim Start des ersten iranischen Satelliten gesehen haben. Insgesamt ist der nordkoreanische Träger leistungsfähiger, hat ein mehr als doppelt so hohes Startgewicht wie die Safir 2, die etwa dreifache Schubleistung (etwa 1100 Kilonewton) und ist acht Meter länger. Der Träger ist komplexer strukturiert als man das bei einem rein militärischen Träger erwarten würde. Insbesondere der größere Durchmesser bestätigt das Vorhandensein einer dritten Stufe. Die Nutzlastverkleidung scheint ein beträchtliches Volumen aufzuweisen.
Als zweite Stufe finden wir hier die Nodong 2 wieder mit einer Schubleistung von etwa 300 Kilonewton. Sie bildet auch die erste Stufe der iranischen Safir-Trägerrakete. Man kann mit einiger Sicherheit davon ausgehen, dass die ganze Rakete eine Auftragsentwicklung für den Iran ist. Sie ist damit in ihren beiden ersten Stufen eindeutig militärisch definiert. Über die dritte Stufe kann spekuliert werden. Es dürfte sich hier um eine iranisch/nordkoreanische Gemeinschaftsentwicklung handeln. Für militärische Zwecke ist sie schon aus logistischen Gründen eher unpraktisch, für Satellitenstarts bei Trägern mit Antrieben geringer spezifischer Impulsleistung und wahrscheinlich nicht vorhandener Wiederstartfähigkeit in der Zweitstufe aber eine Notwendigkeit um angemessene Nutzlasten in den Orbit bringen zu können.
Nordkorea behauptete von vorneherein, dass es sich bei ihrer Rakete um einen dreistufigen Satellitenträger mit einer Nutzlastkapazität von etwa 250 Kilogramm für einen niedrigen Erdorbit handelt. Das würde ich auf Grund der Faktenlage als korrekt bezeichnen.
Somit sind also beide Interpretationen richtig. Es handelt sich um eine Militärrakete. Und sie kann als Satellitenträger eingesetzt werden. Zivil für Forschungssatelliten. Militärisch für Spionagesatelliten. Für Bombentransporte ist sie ungeeignet. Weder dürfte sie über ein präzises Steuerungs- und Navigationssystem verfügen, noch hat Nordvietnam eine Expertise für den gesteuerten Wiedereintritt in die Erdatmosphäre.
Für den in astronomischem Maße unwahrscheinlichen Fall einer Verwendung als militärischer Interkontinentalrakete kann sie - aber erst wenn Nordkorea die Wiedereintrittsproblematik gelöst hat - eine Nutzlast von etwa 500 Kilogramm bis Alaska oder 1000 Kilogramm bis Hawaii transportieren. Fakt ist allerdings: Würde beides auch nur ein einziges Mal versucht werden, hätte das den sofortigen und vollständigen Untergang Nordkoreas als souveräner Staat zur Folge. Warum also um alles in der Welt sollte Nordkorea das tun.
Die Taepodong 2 (die Nordkoreaner bezeichnen sie dieses Mal als Unha-2, wohl um den friedlichen Charakter zu unterstreichen) startet zum zweiten Mal. Am 5. Juli 2006 ging der erste Testflug schief, als die Rakete etwa 40 Sekunden nach dem Start explodierte. Das deutet darauf hin, dass sie die zu diesem Zeitpunkt einwirkenden maximalen aerodynamischen Lasten nicht vertrug. Auch der erste und einzige Start des Vorgängermodells Taepodong 1 am 31. August 1998 war ein Fehlschlag. Die langen Zeiträume zwischen den Starts sind ein guter Hinweis für die schwache industrielle Basis und die dünne Expertise Nordkoreas.
Die Kritik der Welt (mit Ausnahme Chinas und Russlands, die mit hoher Wahrscheinlichkeit sämtliche technologisch anspruchsvollen Komponenten dieser Rakete geliefert haben dürften) gründet sich darauf, dass die Taepodong 2 eine Militärrakete ist. Nun ja. Was soll Nordkorea auch machen? Doch nicht etwa eine Trägerrakete neu entwickeln und "zivil" drauf schreiben, wenn es bereits eine militärische Rakete hat, die den gleichen Zweck erfüllen kann. Die meisten Nationen haben ihre ersten Raumfahrtversuche auf Grundlage vorhandener militärischer Ressourcen unternommen.
- Die R-7 Semjorka, ein Atomwaffenträger reinsten Wassers, brachte Sputnik 1 in den Weltraum.
- Die Redstone-Variante Jupiter C, eine atomare Mittelstreckenrakete, bildete die Grundstufe für den US-Satellitenträger Juno, der im Januar 1958 Explorer 1 in den Weltraum brachte.
- Und selbst Europas Weltraumambitionen begannen mit einem lupenreinen Nuklearträger. Die erste Stufe des erfolglosen Europa 1 und 2 Trägers war nichts anderes als die britische Atomrakete Blue Streak.
Nicht anders war es in China, in Israel und selbst im französischen Diamant-Trägerrakete der frühen sechziger Jahre. Alle gingen sie vollständig oder teilweise (Diamant) zurück auf militärische Entwicklungen. Japan und Indien sind hier die einzigen Ausnahmen.
Der Flug selbst endete als Fehlschlag. Die erste Stufe der Taepodong stürzte 280 Kilometer vor der japanischen Küste ins Meer, die zweite Stufe ging 1.270 Kilometer westlich von Japan im Pazifik nieder. Die Erststufe dürfte wie vorgesehen funktioniert haben, die Stufentrennung wohl auch, aber irgendetwas passierte während der Brennzeit der zweiten Stufe, die offensichtlich nicht vollständig absolviert wurde. Die dritte Stufe mit dem Satelliten fiel daraufhin ins Wasser.
Und was machen wir nun?
Vor allen Dingen ein wenig abkühlen und Objektivität zeigen. Wie jede andere Nation auch hat Nordkorea das Recht zur friedlichen Erforschung und Nutzung des Weltraums. Ein für diesen Zweck nach internationalen Regeln ordnungsgemäß angemeldeter und durchgeführter Startversuch muss diesem Land in jedem Fall gestattet sein. Für eine objektive Bewertung der Absichten würde es genügen, einige Beobachter zu den Startvorbereitungen zu senden.