Heute in den frühen Morgenstunden mitteleuropäischer Zeit wurde das Raumfahrtjahr 2009 mit einem spektakulären „Schuss“ eröffnet. Bei einem der sehr seltenen Delta IV-Heavy Starts, der derzeit schwerste unbemannten Trägerrakete weltweit, wurde ein hochgeheimer Spionagesatellit direkt in eine geostationäre Umlaufbahn gebracht. Die Luftwaffe bezeichnet die Mission schlicht als NROL-26 (National Reconnaissance Office Launch No. 26).
Den Wert von Rakete und Nutzlast zusammengerechnet dürfte die Saison gleich mit einer der teuersten Missionen des Jahres begonnen haben. Alles in allem dürfte sich heute morgen ein kombinierter Wert von mehr als einer Milliarde Dollar auf der Startanlage 37B der Cap Canaveral Luftwaffenbasis befunden haben.
Bei NROL-28 handelt es sich um einen „Eavesdropping“ Satelliten, wie die Amerikaner mit ihrem Sinn für das Dramatische ihre großen Orbit-Funkaufklärer nennen. Es dürfte sich dabei um eine weiterentwickelte Version eines Orion-Satelliten handeln, der heute als „Advanced Mentor“ bezeichnet wird. Diese Satelliten können ein extrem breites Wellenspektrum beobachten, vom Handy-Verkehr bis zur Ortung von Radarstrahlen. Sie sind etwa 5-6 Tonnen schwer, enorm viel für einen geostationären Satelliten, und haben eine riesige entfaltbare Parabol-Netzantenne von etwa 100 Metern Durchmesser.
Aufgrund des enormen technischen Aufwandes für die Entwicklung und den Bau eines solchen Satelliten, dem Einsatz einer hochkomplexen Großträgerrakete und der astronomischen Kosten sind diese Missionen recht selten. Im Jahre 1998 schlug eine Mission dieser Art - damals wurde noch der Delta IV-Vorgänger Titan IV eingesetzt - aufgrund eines Versagens der Trägerrakete fehl. Dieser Fehlschlag hatte zur Folge, dass das Beobachtungsnetz der Orion-Varianten Merkur/MentorAdvanced Mentor bis auf den heutigen Tag noch nicht in Sollstärke existiert. Es muss sich zu einem großen Teil auf ältere Satelliten verlassen, deren geplante technische Lebensdauer eigentlich schon überschritten ist. Der letzte Satellit dieser Typologie und Größe startete im September 2003, damals auf einer der letzten Titan IV.
Die amerikanischen Geheimdienste sind auf diese Raumfahrzeuge dringend angewiesen, große Teile der amerikanischen Aufklärungsstrategie basieren auf den Informationen solcher Satelliten.
Es ist das erste Mal, dass ein Aufklärer dieser Kategorie auf der Delta IV Heavy startet, einem Träger, der noch keine lange Einsatzgeschichte hat. Heute morgen wurde erst die dritte Rakete dieses Typs eingesetzt. Der Erstflug war mit recht gemischten Resultaten verlaufen, die damals erzielte Bahn war wegen einiger technischer Probleme zu niedrig ausgefallen. Der zweite Einsatz der „Heavy“, wie sie kurz genannt wird, war dagegen ein voller Erfolg. Der Start heute morgen zeigte aber deutlich, dass das System weit davon entfernt ist, ausgereift zu sein. Kein Wunder angesichts der niedrigen Startsequenz von weniger als einem Flug pro Jahr. Technische Probleme (allerdings auch beim Satelliten) haben die Rakete bereits seit Monaten auf der Startanlage festgehalten, und auch in dieser Woche gab es insgesamt vier Anläufe die Rakete zu starten.
Heute morgen klappte es schließlich nach zwei Countdown-Unterbrechungen und die Bewohner der Florida-Ostküste konnten den ungemein spektakulären Starts einer „Heavy“ erleben. Der Nachtstart einer solchen Großrakete ist über mehr als 100 Kilometer zu sehen. Aus der Nähe betrachtet ist die enorme Wasserstoff-Verpuffung ebenso interessant wie charakteristisch für diesen Träger. Sie findet gleich nach der Zündung statt, und hüllt die Rakete komplett in einen Feuerball ein, aus dem sie dann rußgeschwärzt heraussteigt. Dieser YouTube-Film des Starts heute morgen gibt das gut wieder, ebenso wie die äußerst geringe Anfangsbeschleunigung dieses Trägers. In dem Film sind auch die beiden Countdown-Unterbrechungen dokumentiert.