In einer überraschenden Ankündigung gestern Abend gab die Flugkontrolle in Houston bekannt, dass das erste Außenbordmanöver - eigentlich für den heutigen Sonntag geplant - um 24 Stunden verschoben wird. Das bedeutet, dass auch die Montage des Columbus-Moduls um einen Tag verzögert ablaufen wird. Fast noch überraschender war jedoch die Ankündigung, dass dieses EVA nicht wie vorgesehen von Rex Walheim und Hans Schlegel durchgeführt wird, sondern Walheim von Stanley Love. Weiter bedeutet das, dass die Mission um mindestens einen Tag verlängert werden muss um diese Verzögerung aufzufangen.
Nachdem sich die NASA mit Kommentaren zu diesem Vorfall sehr bedeckt hält sind den Spekulationen Tür und Tor geöffnet. Fest steht jedenfalls nur, dass während des gestrigen Rendezvous-Manövers Leland Melvin, der die Funktion des "Crew Medical Officiers" bei dieser Mission wahrnimmt, zweimal Beratungen bei den Flugärzten über den privaten Kanal anforderte. Und nach dem Docking wurde die Begrüßung der beiden Crews nicht wie üblich direkt übertragen, sondern wegen "technischer Probleme" kurzfristig abgesetzt.
Nachdem diese Geheimnistuerei erst recht zu intensiven Nachfragen bei den Journalisten führte, bequemte sich John Shannon, der Chef des Missionsmanagements, zu erklären, dass es mit einem der Crewmitglieder einen "medical issue" gäbe. Mit der zusätzlich abgegebenen Erklärung, dass erstens das Außenbordmanöver für Sonntag abgesagt worden sei, und dass beim einen Tag später angesetzten Ersatztermin Love anstatt Schlegel die Arbeiten außerhalb der Station durchführen soll, war es klar welches "Crewmitglied" das Problem mit dem "medical issue" hat.
Erst Stunden später wurde ein nur wenige Minuten langer Zusammenschnitt der Begrüßung gesendet. Auch Hans Schlegel war für einige Sekunden mit im Bild, und eine offensichtliche Behinderung irgendwelcher Art war nicht erkennbar, außer dass er sich in der weiten Raumstation noch sichtlich ungelenk bewegte.
Bei der späteren Standardübertragung von Bord der Raumstation, die bei NASA-TV täglich mehrere Stunden läuft, waren praktisch alle Astronauten irgendwann im Bild, lediglich Hans Schlegel fehlte.
Der Sprechfunkverkehr der über die offenen Leitungen läuft war (und ist auch am heutigen Sonntagvormittag) immer wieder unterbrochen. Die Sprecherin ging mit keinem Wort darauf ein, warum Schlegel durch Love ersetzt wird, und erweckte vielmehr den Eindruck als sei das gängige Praxis.
Am wahrscheinlichsten dürfte es sein, dass Hans Schlegel an einer besonders starken Form der Raumkrankheit, dem so genannten "Space Adaption Syndrome" leidet, die gewöhnlich etwa die Hälfte der Astronauten und Kosmonauten für ein bis zwei Tage zu Beginn einer Mission behindert. Am dritten Tag verschwinden die Symptome allerdings bei fast allen Raumfahrern. In der gesamten Geschichte der amerikanischen Raumfahrt kam es lediglich zweimal vor, dass eine Außenbordaktivität wegen einer Erkrankung eines Astronauten verschoben oder abgesagt werden musste. Zuletzt war das im Jahre 1983 der Fall, beim fünften Flug des Shuttle Columbia.
Möglich wäre es, dass Hans Schlegel starke Medikamente bekommt, und die Flugärzte erst deren Abbau im Körper abwarten wollen. Es wäre in jedem Fall gefährlich, sich im Raumanzug übergeben zu müssen, weil man keine Chance hätte sich die erbrochenen Partikel von dem Atemwegen fernzuhalten.
Witzige Randnote: Heute morgen wurde die Crew mit dem Song "Männer" von Herbert Grönemeyer geweckt. Der Song ist speziell Hans Schlegel gewidmet. In dem Lied geht es um die Frage: "Wann ist ein Mann ein Mann?" Und es geht um die Probleme, vor allem auch die gesundheitlichen, die einen Mann so plagen können (Zitat "Männer kriegen leicht 'nen Herzinfarkt").