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Schwerter in Pflugscharen verwandeln. So wörtlich nehmen konnte man das selten zuvor. Am vergangenen Freitag (29.8.) brachte eine russische Interkontinentalrakete des Typs R-36MUTTH, besser bekannt unter ihrer zivilen Bezeichnung "Dnepr", fünf deutsche Erdbeobachtungssatelliten in den Orbit, Eine der Hauptaufgaben: Dienstleistungen für die Landwirtschaft.

Der gut 32 Meter lange Träger verließ den Silo 95 des Startkomplexes 109 am Kosmodrom Baikonur um 9:15:58 Uhr mitteleuropäischer Zeit. Weinige Minuten später gab die dritte Stufe der Dnepr die fünf Satelliten in einer Höhe von 640 Kilometern frei.

Weniger als zwei Stunden nach dem Start hatten alle fünf Satelliten mit der Bodenkontrolle Kontakt aufgenommen.

Die Raumfahrzeuge werden in den nächsten Wochen ausgiebig getestet, bevor sie im Herbst ihren Dienst für RapidEye, das deutsche Vermarktungsunternehmen, aufnehmen wird.

Die Satelliten werden im Orbit so verteilt, dass sie dasselbe Gebiet in einem zeitlichen Abstand von 19 Minuten aufnehmen können. Das erlaubt häufige Wiederbesuche derselben Gegend, eine wichtige Funktion speziell im Desaster-Monitoring, wenn sich innerhalb kurzer Zeit bedrohliche Szanrien aufbauen.

Jeder der Satelliten wiegt beim Start etwa 150 Kilogramm. Ihre Einsatzlebensdauer wird auf sieben Jahre veranschlagt. Jeder von ihnen kann pro Tag 2,4 Millionen Quadratkilometer Erdoberfläche mit einer Auflösung von sieben Metern pro Bildpunkt in Farbe zur Erde senden.

Die Flotte ist in der Lage innerhalb eines Tages jeden beliebigen Ort der Erde aufzunehmen. Die gesamte landwirtschaftliche Anbaufläche der USA oder Europas kann dabei innerhalb von fünf Tagen abgelichtet werden.

Die Hauptaufgaben von RapidEye sind Ernte-Überwachung, Informationsdienste für Versicherer und Hilfsorganisationen sowie Desaster Monitoring für staatliche Organisationen.

Wie sehr heute Raumfahrtanwendungen im Alltag Anwendung finden, mag man daran erkennen, dass das RapidEye-System im Jahre 1998 von der "Vereinigten Hagel" mitbegründet wurde, einem äußerst bodenständigen deutschen Landwirtschaftsversicherer.

Hauptauftragnehmer des Programms war die MDA Corporation in Kanada. Sie entwarf die Raumfahrzeuge und entwickelte das Bodensegment des Systems. Gebaut wurden die Satelliten von Surrey Satellite Technology Ltd., einem Spezialisten für den Bau von Kleinsatelliten, der sich heute im Besitz von Astrium befindet.

Die Kamera-Ausrüstung der Satelliten wurde von Jena Optronik entwickelt und gebaut.

Der Start am Freitag übersprang eine andere Dnepr-Mission, die jetzt schon seit mehreren Monaten auf ihren Flugtermin wartet. Dieser Einsatz wurde schon mehrmals kurz vor dem Start wieder abgesagt, weil sich Usbekistan und Kasachstan weigern, die Abwurfzone für die erste Stufen dieser Rakete freizugeben, die sich auf dem Gebiet ihrer Territorien befindet.

Bei diesem Start soll THEOS, ein thailändischer Erdbeobachtungssatellit auf eine polare Erdumlaufbahn gebracht werden. Der Start soll dabei von der militärischen Raketenabschussbasis Yasny aus erfolgen. Die Flugbahn geht dabei genau nach Süden, anders als beim Start am Freitag, wo die Rakete nach Osten abgeschossen wurde, und die erste Stufentrennung noch über russischem Gebiet erfolgte.

Mit Usbekistan war im Jahre 2007 ein Vertrag abgeschlossen worden, der den Abwurf der ersten Stufe in diesem Land erlaubt hätte. Nun aber will sich Usbekistan nicht mehr an dieses Abkommen halten.

Daraufhin modifizierten die russischen Techniker die Dnepr so, dass der Abwurf der ersten Stufe in Kasachstan erfolgen konnte. Die kasachische Raumfahrtbehörde Kazkosmos hatte das autorisiert, und im Juli begannen die Startvorbereitungen. Nur zwei Tage vor dem für den 6. August geplanten Start zog Kazkosmos aber diese Erlaubnis wieder zurück.

Der Start am Freitag hatte allerdings durchaus auch einen militärischen Charakter. Er diente gleichzeitige auch als Testflug für die Einsatzversion dieses Trägers, der in der NATO-Terminologie früher als "Satan" bezeichnet wurde.

Nach wie vor sind 75 dieser Raketen im militärischen Einsatz,. Jede ist mit 10 thermonuklearen Sprengköpfen ausgestattet. Die R-36MUTTH ist die schwerste Interkontinentalrakete, die jemals gebaut wurde.

Das militärische Startverfahren wird sehr gut in diesem Film erkennbar, der vom Start der RapidEye-Mission veröffentlicht wurde.

Astra