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Europas Navigationssatellitensystem Galileo kam gestern seiner Verwirklichung einen bedeutenden Schritt näher. Bei der 21. Sojus-Mission unter der Ägide von Starsem, dem Vermarktungsunternehmen für die kommerziellen Einsätze der Sojus, wurde heute früh um 0:16 Uhr mitteleuropäischer Zeit der Galileo-Vorseriensatellit Giove B mit einer Sojus FG Fregat in eine mittelhohe Erdumlaufbahn befördert. Das Akronym "Giove" steht für Galileo In-Orbit Validation Element.

Der Start wurde vom russischen Kosmodrom Baikonur durchgeführt. Aufgrund der Vorgaben für die zu erzielenden Bahnparamter musste die Fregat-Oberstufe eine komplexe Bahn fliegen. Es dauerte 3 Stunden und 45 Minuten bis der Satellit von der Sojus-Oberstufe freigegeben werden konnte. Insgesamt war es der 1731 Start einer Sojus.

Giove-B ist der zweite Galileo-Entwicklungssatellit den Starsem startet. Im Dezember 2005 wurde bereits Giove A ebenfalls mit einer Sojus Fregat in den Orbit gebracht. Beide Satelliten befinden sich jetzt in einer kreisförmigen Umlaufbahn in einer Höhe von 23.200 Kilometern und einer Bahninklination von 56 Grad.

Für die Beobachter in Baikonur war der Start diesmal besonders spektakulär. Die Sojus starte in einen kristallklaren, sternenübersäten Nachthimmel. Die Zuschauer konnten die Boostertrennung gut zwei Minuten nach dem Liftoff mit unbewaffnetem Auge klar erkennen.  Gut zu sehen auch das berühmte Trennungsmuster, das sich beim Abwurf der seitlichen Zusatzeinheiten der Sojus ergibt, und das die Russen "Korolovs Kreuz" nennen. Es trägt den Namen seit den ersten Testflügen der R-7 im Jahre 1956.

Erste und zweite Stufe arbeiteten wie vorgesehen. Die Fregat-Drittstufe wurde nach dem Abwurf der Zweitstufe für eine erste Brennperiode von 20 Sekunden Dauer eingesetzt um 10 Minuten nach dem Verlassen der Rampe einen ersten Parkorbit in einer niedrigen Erdumlaufbahn zu erreichen.

Zwei weitere, wesentlich längere Brennperioden der Fregat waren dann in den kommenden Stunden nötig, um den vorgesehenen endgültigen Orbit anzusteuern. Die Trennung des 550 Kilogramm schweren Satelliten erfolgte um 4:01 Uhr mitteleuropäischer Zeit. 30 Minuten später entfalteten sich die beiden Solargeneratoren.

GIOVE B soll den Weg für den 2010 vorgesehenen ersten operationellen Start des Systems ebnen. Bis ende 2013 soll die gesamte Konstellation im Orbit sein:  27 operationelle Satelliten und drei Reserveeinheiten auf drei Orbitebenen.

Das System wird einen kostenlosen Grundservice anbieten und zusätzlich verschlüsselte kostenpflichtige Kanäle für kommerzielle Kunden und Regierungsorganisationen.  

Die Demonstrations- und Testphase mit den Satelliten Giove A und B war von der ESA und der EU bezahlt worden. Die Serienphase sollte im Rahmen einer Public Private Partnership zwischen den europäischen Regierungen und der Industrie erfolgen. Dieser Programmvorschlag scheiterte aber an der Uneinigkeit der Industriepartner über die Kosten- und Risikoverteilung. Daraufhin wurde das Programm von der europäischen Kommission neu aufgesetzt. Jetzt werden für die Aufbauphase ausschließlich öffentliche Mittel eingesetzt.  Die ESA ist damit nicht mehr Kunde sondern Hauptauftragnehmer und dem jetzigen Kunden, der europäischen Union, berichtspflichtig.

Der Start von GIOVE B hatte sich aufgrund technischer Probleme um nahezu zwei Jahre verzögert: Bei einem Bodentest war der Bordcomputer des Satelliten beschädigt worden. In den letzten Monaten gab es schließlich noch Probleme mit der Sojus, was den Start noch einmal von Dezember auf April verschob.

Die Probleme führten dazu, dass die ESA im März letzten Jahres einen Vertrag mit SSTL, dem Hersteller von Giove A, unterzeichnete, eine nahezu baugleiche Einheit mit der Bezeichnung Giove A2 anzufertigen. Der Satellit hätte eingesetzt werden müssen, wenn es mit Giove B zu weiteren Problemen gekommen wäre. Die Maßnahme war notwendig, weil die für Galileo beantragten Frequenzbänder genutzt werden müssen. Ansonsten verfallen sie und können, internationalen Übereinkünften zufolge von anderen Nutzern beansprucht werden. Was jetzt mit dieser Reserveeinheit werden soll ist noch nicht klar.

Derzeit ist die amerikanische GPS Konstellation das einzige weltweit frei nutzbare Satellitennavigationssystem. Das russische Glonass-Netzwerk war bislang nur für russische Inlandsnutzer verfügbar, wird aber gegen ende des Jahres ebenfalls den weltweiten Dienst aufnehmen. Noch im Aufbau, aber ebenfalls schon weiter als das europäische System ist die chinesische Kompass-Konstellation, die aus einer Mischung von Satelliten im geostationären und im mittelhohen Erdorbit besteht.

Astra