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Am Sonntag, dem 9. März 2008 um 5 Uhr 03 MEZ wurde das 19,4 Tonnen schwere Automated Transport Vehicle  mit der Bezeichnung "Jules Verne" von einer Ariane 5 ES erfolgreich auf eine Erdumlaufbahn gebracht.

Die Version ES des europäischen Großträgers erlebte bei dieser Mission dabei ihren Erstflug. Sie ist eine Sondervariante der Ariane 5, speziell dafür entwickelt, das ATV in den Orbit hieven zu können. Die Hauptstufe ist mit derjenigen der Ariane 5 ECA identisch, dem Schwerlastträger für geostationäre Satelliten. Die ES verfügt jedoch über eine wieder zündbare Oberstufe mit lagerfähigen Treibstoffen (wie sie die kaum noch eingesetzte Ariane 5 GS verwendet), eine neue Steuerungseinheit und eine spezielle Software für den Bahneinschuss in niedrige Erdorbits. Zusätzlich wurde die Rakete in einigen Bereichen strukturell verstärkt um die schwere Nutzlast aufnehmen zu können.

Die EPS-Oberstufe gab Jules Verne um 6:10 Uhr mitteleuropäischer Zeit frei, genau 66 Minuten und 42 Sekunden nach dem Verlassen der Startrampe. 25 Minuten darauf begann die Entfaltung der Solargeneratoren und der Kommunikationsantennen.

Schon kurz danach trat allerdings die erste Fehlfunktion an Bord von Jules Verne auf. Eine Elektronikbox schaltete eine Kommandokette im Antriebssystem ab. Diese Elektronik-Einheit trägt die Bezeichnung Propulsion Drive Electronics 2 (PDE 2), und sie kontrolliert das weitverzweigte Netzwerk von Tanks, Leitungen, Ventilen und Triebwerken am ATV. Es gibt vier dieser Einheiten, jede kontrolliert im Nominalfall ein Viertel des Systems, kann aber im Notfall auch die Aktivitäten anderer PDE's übernehmen.

Derzeit gehen die Programm-Manager davon aus, dass die Sache nicht ernst ist. Die Ingenieure im Kontrollzentrum in Toulouse arbeiten jedoch mit Hochdruck daran, das Problem zu analysieren.

Der Fehler trat während der Aktivierungssequenz des Antriebssystems auf. Die Computer an Bord von Jules Verne bemerkten eine leichte Druckdifferenz zwischen der Treibstoff (Hydrazin) und Oxidator-Seite (N2O4) beim Passieren der Ventile.

Jules Verne kann auch mit nur mit drei Avionik-Strängen betrieben werden, aber gerade bei diesem ersten Flug hätten die Projektingenieure natürlich gerne die volle Redundanzleistung des Systems zur Verfügung.

Zwischenzeitlich wurde der Plan für die erste größere Triebwerkszündung, die am heutigen (10.3.) Tag hätte stattfinden sollen, wieder fallen gelassen. Dies wäre das erste in einer Reihe von Manövern gewesen, bei denen die Bahn des ATV nach und nach auf die Bahn der ISS angehoben wird.

Die Bahnmanöver kulminieren vorläufig in der Ankunft des Raumfahrzeugs auf der Bahn der ISS, der sie dann für die Dauer der Wartephase (bis die Raumfähre Endeavour wieder von der Station abgelegt hat) in einer Entfernung von knapp 2.000 Kilometern voraus fliegen wird. Das Erreichen der ISS-Bahn ist derzeit für den 19. März geplant.

Die Ingenieure von ESA und EADS Astrium arbeiten jetzt einen Plan aus, um die PDE 2 wieder in die Kommandokette des ATV einzubinden. Die Elektronikbox ist so konstruiert, dass sie sich automatisch selbst abschaltet, wenn sie ihre Kommandofunktion abgegeben hat. Dies ist eine Sicherheitsmaßnahme für den Fall, dass die Elektronikeinheit selbst die Fehlerursache darstellt.

Zeit für Untersuchungen und nachfolgende Tests ist genug vorhanden, denn die ATV-Programmverantwortlichen hätten auf jeden Fall erst das Ende der Mission der Raumfähre Endeavour abwarten müssen, bevor mit den eigentlichen Dockingversuchen begonnen werden kann, an deren Ende schließlich das Anlegen an der ISS steht. Die Mission der Endeavour, die morgen früh beginnt, wenn alles planmäßig verläuft, ist für eine Shuttle-Mission ausgesprochen lang. Vor dem 24. März, möglicherweise auch erst später, wird die Fähre die Station nicht wieder verlassen.

Das eigentliche Docking-Manöver hätte auch unter günstigen Umständen nicht vor dem 3. April stattgefunden. Zuvor werden noch zwei so genannte "Demo Tage" durchgeführt, um die Rendezvous-Fähigkeiten von Jules Verne ausgiebig zu erproben.

Astra