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Das Atlas-Programm befindet sich wieder auf der Erfolgsspur, nachdem die letzte Mission am 15. Juni dieses Jahres wegen einer Fehlfunktion im Treibstoffventil der Oberstufe nur als Teilerfolg gewertet werden konnte. Heute in den frühen Morgenstunden brachte jedoch eine bislang noch nicht eingesetzte Version der Atlas 5 einen militärische Kommunikationssatelliten genau auf die vorgesehene Umlaufbahn.

Die Atlas hatte sich zuvor einer fleckenlosen, 14 Jahre und 80 Missionen umfassenden Erfolgsbilanz erfreut, bis eine geringfügige, aber entscheidende Fehlfunktion eines Treibstoffventils zwei Marine-Aufklärungssatelliten zunächst in einem zu niedrigen Orbit hatte stranden lassen. Mit Bordmitteln, zu Lasten der Lebensdauer der Satelliten, gelang es den beiden Raumfahrzeugen in der Zwischenzeit jedoch, die vorgesehene Umlaufbahn zu erreichen. Das RL-10-Triebwerk der Oberstufe hatte im Juni wegen Treibstoffmangels vier entscheidende Sekunden zu früh abgeschaltet.

Nachdem die beiden Marine-Funkauflklärer letztendlich doch noch ihren vorgesehen Orbit erreicht haben, bezeichnen auch die Regierungs-Offiziellen den Start nicht als Fehlschlag. "Nicht perfekt, aber auch kein kompletter Fehlschlag", lautet die Haltung zum Vorfall vom Juni.

Während sich die beiden Satelliten im laufe der letzten Monate doch noch langsam auf ihre vorgesehene Umlaufbahn zubewegten, führte Pratt & Whitney Rocketdyne und die Luftwaffe eine gemeinsame Untersuchung durch, um der Fehlerursache auf die Spur zu kommen, und ähnliche Vorfälle in Zukunft zu vermeiden.

Das Ergebnis war, dass die ungewöhnlich lange, von der Mission geforderte erste Brennzeit des RL-10-Triebwerks bewirkte, dass das Treibstoffregelventil am Ende der ersten Brennzeit nicht vollständig schloss.  Hauptfaktor dafür war die Tiefkühlung des Ventils durch den flüssigen Wasserstoff. So verlor in der nun folgenden Driftphase zwischen erster und zweiter Zündung die Oberstufe viel Treibstoff, mit dem Ergebnis, dass der Sprit am Ende nicht mehr reichte, um die notwendig zweite Brennperiode in voller Länge durchzuführen.

Dieses Ventil war ein neues, noch wenig erprobtes Produkt. In der Konsequenz ging Lockheed nun auf das alte Design zurück, und will die neue Konstruktion erst nach einer längeren Serie zusätzlichen Tests einsetzen.

Die Frage kam auf, warum Lockheed überhaupt ein gut funktionierendes Produkt durch einen Neukonstruktion ersetzen wollte. Hier stellte sich heraus, dass der Hersteller die Produktion eingestellt hatte, und Lockheed einen neuen Produzenten hatte finden müssen. Es zeigte sich aber, dass Lockheed noch einige Ventile der alten Generation vorrätig hatte. Die letzten dieser erprobten Einheiten werden jetzt in den nächsten Missionen aufgebraucht.

Die Spannung für den am Mittwochabend um 20:22 Uhr Ortszeit (2:22 Uhr mitteleuropäischer Zeit) geplanten Start war demzufolge hoch, kamen doch mehrere Unsicherheitsfaktoren zusammen: Eine noch nie geflogene Version der Atlas 5, ein Rückgang auf den alten Ventildesign und eine extrem teure Nutzlast, der erste der so genannten Military Wideband Global SATCOM's, deren Stückpreis von etwa 360 Millionen Dollar dreifache eines zivilen kommerziellen Satelliten beträgt. Das alles auf einen ungewöhnlichen supersynchronen geostationären Transferorbit. Doch der Start klappte wie am Schnürchen.

20 Sekunden vor dem Liftoff ein letzter "Poll" des Startdirektors, eine Umfrage bei den Kontrollingenieuren, ob alle Systeme der Rakete einsatzbereit sind. Bestätigung der Controller: "Go".

Exakt um 2:22 Uhr mitteleuropäischer Zeit erfolgte die Zündung und das Hochlaufen des mächtigen RD-180-Triebwerkes, gefolgt nur wenige Sekunden später von der Zündung der beiden Aerojet-Feststoff-Booster.

93 Sekunden nach dem Liftoff, bei einer Geschwindigkeit von Mach 2 in einer Höhe von fast 20 Kilometern waren die beiden Booster ausgebrannt, blieben aber für weitere 50 Sekunden mit der Rakete verbunden und wurden erst zwei Minuten und 22 Sekunden nach dem Abheben abgeworfen, als die Rakete eine eigens dafür ausgewiesene Abwurfzone erreicht hatte.

Mit Beginn der vierten Flugminute wurde das RD-180 in der Leistung langsam heruntergefahren um die Beschleunigungslasten bei unter 5g zu halten. vier Minuten und 24 Sekunden nach dem Abheben wurde das Triebwerk stillgelegt und die erste Stufe abgetrennt.

Nach einer kurzen Freiflugphase von 10 Sekunden zündete das RL-10 Triebwerk der zweiten Stufe. Weitere zehn Sekunden später wurde die Nutzlastverkleidung abgeworfen.

15 Minuten und 15 Sekunden nach dem Liftoff erfolgte MECO 1: Main Engine Cut Off 1. Danach war ein erster, elliptischer Übergangsorbit erreicht.

Nun folgte eine neunminütige Driftphase. 24 Minuten und 14 Sekunden nach dem Liftoff zündete die Centaur ein zweites Mal. 28 Minuten und 50 Sekunden nach dem Abheben war die zweite Brennperiode planmäßig beendet. Die letzte Aufgabe der Centaur war es nun, den Satelliten in die korrekte Trennposition zu bringen.

31 Minuten und 40 Sekunden nach dem Verlassen der Startrampe gab die Centaur den Satelliten frei. Der Start war ein voller Erfolg.

Insgesamt haben die amerikanischen Streitkräfte fünf Wideband Global Satcoms bei Boeing bestellt. Die verbliebenen vier Einheiten sollen in den nächsten drei Jahren gestartet werden. Sie basieren auf dem Boeing 702-Satellitenbus und wiegen beim Start etwa 6.000 Kilogramm. Sie tragen eine unbekannte Anzahl von Transpondern für den X- und Ka-Band-Bereich und ein extrem komplexes 19 Einheiten umfassendes Antennensystem.

Astra