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Ein unbemanntes Raumfahrzeug vom Typ Foton, mit 43 verschiedenen ESA-Experimenten an Bord, startete gestern vom Raumfahrtzentrum Baikonur aus erfolgreich in einen niedrigen Erdorbit. Die Trägerrakete vom Typ Sojus U verließ die Startrampe um 13:00 Uhr mitteleuropäischer Zeit. Neun Minuten später war eine annähernd kreisförmige Bahn in einer Höhe von 300 Kilometern erreicht und Foton 3M trennte sich von der Oberstufe.

Das Raumfahrzeug wird die folgenden 12 Tage im Orbit verbringen, dabei 190 Mal die Erde umkreisen und technologische und biologische Experimente unter den Bedingungen der Schwerelosigkeit und der Strahlungsumgebung des freien Weltraums durchführen. Am 26. September sollen die Retro-Raketen gezündet werden, und die gut 2,5 Tonnen schwere Rückkehrkapsel wird kurz danach in der Steppe im russisch-kasachischen Grenzgebiet niedergehen.

Der Design der Foton-Raumfahrzeuge geht noch zurück auf die Vostok-Raumkapseln der frühen sechziger Jahre. Mit einer Kapsel dieses Typs führte auch Juri Gagarin im Jahre 1961 den ersten Orbitalflug um die Erde durch. Die Foton besteht aus drei Sektionen: Einem Batteriemodul an der Spitze des Fahrzeugs, einer kugelförmige Rückkehrkapsel in der Mitte und einem Service-Modul am Ende der Kombination.  Die ESA nimmt seit dem Jahre 1991 am russischen Foton-Programm teil, und die Mission Foton-M3 ist bereits die neunte Mission in dieser gemeinsamen Serie.

Die mehr als 400 Kilogramm schwere, rein europäische Nutzlast, enthält Experimente aus einem weiten Bereich wissenschaftlicher Disziplinen. Sie kommen aus der Strömungsphysik, der Biologie, Proteinkristallwachstum, Meteoritenforschung, Strahlungsdosimetrie und Exobiologie. Dazu kommen noch eine Reihe technologischer Experimente, von der Erprobung neuartiger Halbleitermaterialien über verbesserte Thermal-Kontrollsysteme für Raumfahrzeuge bis hin zur Optimierung von Förderprozessen bei der Ölgewinnung.

Die Foton-Mission ist Teil des ESA-Programms für Physik und Lebenswissenschaften.  Die Experimente kommen von der ESA direkt und von den nationalen Raumfahrtagenturen aus Deutschland, Belgien, Frankreich, Italien und Kanada. Einige der Experimente stammen auch aus Russland.

Eine der ungewöhnlicheren Nutzlasten ist das Experiment "Aquahab", das gemeinsam von ESA und DLR betrieben wird. Es handelt sich dabei um ein Aquarium, in dem die Reaktion eines einzelligen Organismus mit der Bezeichnung Euglena gracilis und eines kleinen Buntbarsches auf die Schwerelosigkeit erforscht werden sollen.

Das Experiment "Biobox" besteht aus zwei programmierbaren Brutkästen die fünf Experimente aus der Zellbiologie enthalten.  Drei davon werden die Auswirkungen der Schwerelosigkeit auf Knochen bildende und Knochen abbauende Zellen untersuchen. Mit einem vierten Experiment werden die Auswirkungen der Strahlung auf das Hautgewebe erforscht.

Im kanadisch-europäischen Experiment "Eristo/Osteo" befinden sich zwei weitere Inkubaktoren, mit deren Hilfe die Auswirkungen von Medikamenten und Wachstumsbeschleunigern auf die Aktivitäten von Knochenzellen unter Bedingungen der Schwerelosigkeit untersucht werden.

Das französisch-belgische Experiment TEPLO ist der Weltraumtechnologie gewidmet und soll die Masse und Komplexität zukünftiger Thermalkontrollsysteme reduzieren helfen.

An der Außenseite des Raumfahrzeugs ist eine Experimentiervorrichtung für mehrere Nutzer angebracht. Sie trägt die Bezeichnung "Biopan". Nach dem Orbiteinschuss klappt ein Deckel auf und ihre insgesamt zehn Experimente für die gesamte Dauer der Mission dem freien Weltraum ausgesetzt.

Am Hitzeschild der Foton-Kapsel befinden sich zwei Experimente mit der Bezeichnung Stone-6 und Lithopanspermia. Es handelt sich dabei um verschiedene Arten von Gestein das mit lebenden Organismen "geimpft" wurde. Damit soll untersucht werden, ob Mikro-Organismen die auf Meteoriten durch das Sonnensystem reisen, den Eintritt in eine Planetenatmosphäre mit den enormen Hitzelasten und Drücken überleben können.

Ebenfalls an der Außenseite der Foton, befestigt am Batteriemodul, ist ein ehrgeiziges Experiment mit der Bezeichnung Second Young Engineers Satellite", kurz YES2. Etwa 450 Studenten aus allen ESA-Mitgliedsstaaten haben zusammen mit dem Hauptauftragnehmer, der auf Tether-Technologie spezialisierten holländischen Firma Delta-Utec, zusammengearbeitet, um die 36 Kilogramm schwere Vorrichtung zu konstruieren und zu bauen.

Am 25. September 2007, gegen Ende der Foton-Mission, wird YES2 ein 30 Kilometer langes Seil aus einem Trägersystem namens "FLOYD" ausfahren. Es ist dies das längste Leine, die jemals im Weltraum verwendet wurde. Der Begriff "Seil" ist allerdings nicht die richtige Bezeichnung, denn die Leine ist tatsächlich dünner als eine Angelschnur. Am Ende des Tether befindet sich eine winzige, gerade fünf Kilogramm schwere Rückkehrkapsel mit der Bezeichnung Fotino. Mit ihr soll die Rückführung sehr kleiner Nutzlasten aus der Umlaufbahn zur Erde zu demonstriert werden. Dies zu einem Bruchteil der Kosten, die heute aufgewendet werden müssen, denn eine über ein Tether gesteuerte Rückkehrkapsel benötigt kein Antriebs-, resp. Bremsmodul und keine Lageregelungstriebwerke.

Fotino wird während der zweieinhalb Stunden langen Aktivierungs- und Ausfahrphase vor und unter dem Foton-Raumfahrzeug fliegen. Zum Zeitpunkt der Freigabe von Fotino wird sich die Kapsel gerade in einem durch die Erdgravitation bewirkten "Rückwärtsschwung" relativ zur Foton-Kapsel bewegen.

Dieser "Rückwärtsschwung" wird Fotino um mehr als 300 Kilometer pro Stunde abbremsen, genug, um die kugelförmige Kapsel in die oberen Schichten der Erdatmosphäre zu führen. Dort erfolgt eine ballistische Abbremsung durch die Reibung mit den Molekülen der Erdatmosphäre und schließlich eine Landung in der Steppe von Kasachstan.

Sobald die Kapsel den Erdboden erreicht wird eine Radio-Bake die Position der Kapsel an das Bergungsteam übermitteln. Einer der Transmitter ist so konstruiert, dass er auch einen Aufschlag auf dem Boden überleben kann, für den Fall, dass das Fallschirmsystem versagt.

Fotino ist das kleinste Raumfahrzeug, das jemals für eine Rückkehr aus dem Orbit konstruiert worden ist. Gleichzeit ist es mit seinem 30-Kilometer langen Tether auch das längste Raumfahrzeug, das jemals im Weltraum geflogen ist.

Astra