Meilenstein der astronomischen Forschung startbereit
Endlich nach mehreren Startverschiebungen scheint es nun ernst zu werden. Die Satelliten Herschel und Planck sind in der Nutzlastverkleidung platziert und mit der Startrakete verbunden. Zuerst wurden Sie noch mit nötigem Treibstoff und Kühlmittel betankt, die Systeme vorkonfiguriert und startbereit gemacht. Für den Abschuss ins All muss die Startrakete vom Typ Ariane-5ECA, die leistungsstärkste Rakete Europas, nur noch vom Integrationsgebäude zum Startplatz geschoben werden.
Update 14. Mai 2009: Start erfolgreich: twitter.com/DerOrion
Startkonfiguration der Satelliten Herschel (oben) und Planck (unten) in der Nutzlastverkleidung der Ariane-5ECA-Trägerrakete. Die Zwischenstruktur SYLDA trägt den Satelliten Herschel um beide Satelliten übereinander anordnen zu können. Quelle: ESA |
Diese Mission ist ein Meilenstein in der astronomischen Forschung. Beide Satelliten sind technisch auf dem höchsten Stand und ihre Mission ist höchst interessant. Viele Mitarbeiter, die zum Gelingen der Mission beigetragen haben, fiebern in diesen Tagen dem Start entgegen. Darunter befinden sich auch Teams aus Österreich.
Herschel ist die vierte Cornerstone-Mission der Europäischen Weltraumbehörde ESA und nach Sir William Herschel benannt, der vor mehr als 200 Jahren die Infrarot- oder Wärmstrahlung unserer Sonne bei Prismenexperimenten entdeckte. Es ist das größte jemals für den Einsatz im Weltraum gefertigte Spiegelteleskop mit einem Durchmesser von 3,5 Metern. Im Vergleich der Spiegel des Hubble Weltraumteleskops misst „nur“ 2,4 Meter. Anders als bei Hubble wird Herschel Objekte im Weltraum nicht im optischen Wellenlängenbereich beobachten sondern im Infrarotbereich. Dort lassen sich speziell die Entstehung von Sternen und Galaxien besonders gut beobachten und erforschen.
Um die Infrarotdetektoren in diesem Wellenlängenbereich betreiben zu können, müssen diese bis auf minus 271°C oder etwa 2 Kelvin gekühlt werden. Dies geschieht mit etwa 2000 Liter flüssigem Helium, der im Weltraum das Teleskop und die Detektoren auf niedrigen Temperaturen hält und für etwa 3,5 Jahre Beobachtungszeit reicht. Die niedrigen Temperaturen sind notwendig, um das thermische Rauschen im Infraroten so minimal wie möglich zu halten. Insgesamt gibt es drei Instrumente mit Detektoren, die die Infrarotstrahlung in verschiedenen Wellenlängenbereichen beobachten können, die sich zwischen dem Hauptspiegel und dem Tank für das flüssige Helium befinden. Die Instrumente sind HIFI (Heterodyne Instrument for the Far Infrared), PACS (Photodetector Array Camera & Spectrometer) und SPIRE (Spectral and Photometric Imaging REceiver). Mit diesen Instrumenten führt das Weltraumteleskop Herschel abbildende Photometrie und Spektroskopie mit nie zuvor erreichter Genauigkeit und Sensitivität im Fernen Infraroten zwischen 60 und knapp 700 µm durch.
Von seinem einzigartigen Beobachtungsplatz 1,5 Millionen km von der Erde entfernt, beobachtet Herschel mit seinen drei wissenschaftlichen Messinstrumenten PACS, SPIRE und HIFI das kalte Universum. Ob staubverhüllte Phasen im Leben der Sterne oder rotverschobene Galaxien im noch jungen Universum - Herschel stößt für weite Bereiche der Astronomie ein wichtiges neues Fenster in einem noch kaum erschlossenen Wellenlängenbereich auf.
Die österreichische Beteiligung am Herschel-PACS Instrument wird vom Institut für Astronomie der Universität Wien geleitet und in Zusammenarbeit mit der Pattern Recognition and Image Processing Group der Technischen Universität Wien und Joanneum Research, Graz im Rahmen eines Europäischen Konsortiums durchgeführt. Herschel-PACS ist die erste wissenschaftlich-technische Beteiligung der österreichischen Astronomie an einer großen ESA-Mission.
Dies ist die allererste Beteiligung der Österreichischen Astronomie an der Entwicklung der Instrumentation eines Weltraumteleskops der ESA. Das unter Leitung des Max-Planck-Instituts für Extraterrestrische Physik in Garching bei München entwickelte Kamera- und Spektrometer-Instrument für das Ferne Infrarote (60-210µm) setzt neuartige Detektorsysteme (Ge:Ga Arrays und Bolometer) ein und erzeugt im Vergleich zu früheren Missionen enorme Datenmengen. Dies verbunden mit der großen Entfernung von Herschel (1,5 Millionen km statt knapp 600km beim Hubble-Teleskop) führt zu einem Engpass in der wissenschaftlichen Datenübertragung vom Satelliten zur Bodenstation.
Genau dieses Problems nimmt sich ein österreichisches Team an und es umfasst:
Entwicklung der On-board Data Reduction and Compression Software (OBSW): Aufgabe des On-Board Datenverarbeitungssystems ist es, die anfallenden wissenschaftlichen Messdaten mit Hilfe komplexer und innovativer Algorithmen um Faktoren von bis zu 40 in der Menge zu reduzieren, um die engen Anforderungen der Telemetrie erfüllen zu können. Die dabei implementierten Echtzeit-Anwendungen nutzen die vorhandene, sehr beschränkte Hardware voll aus und versuchen den Informationsverlust in den übertragenen Daten so gering wie möglich zu machen.
Teilnahme am Instrument Control Center (ICC): Die mit dem On-board System aufbereiteten und in weiterer Folge zur Erde übertragenen Daten müssen rekonstruiert und in Ihrer Qualität bewertet werden. Dies leistet der österreichische Softwarebeitrag zum ICC. Auch besteht die Möglichkeit, Teile des On-board Systems während der Missionszeit zu warten und an die veränderlichen Bedingungen am Einsatzort anzupassen - eine Aufgabe, die sich über die gesamte geplante Einsatzspanne von Herschel bis etwa 2013 erstreckt.
Weiters gibt es noch folgende industrielle Beteiligungen am Herschel Satelliten aus österreichischer Sicht:
- RUAG Austrian Aerospace: Attitude Control Computer - Input/Ouput Boards and Test Equipment, Service Module - Mechanical Ground Support Equipment, Thermal Control - Multi Layer Insulation, Cryostat – Cover und Test Cavity, Cryostat - Multi Layer Insulation
- Siemens Austria: Central Check-Out System Software, Power & Telemetry and Tracking Control Special Check-out Equipment
- Zumtobel: Reflexions-Gitter für PACS-Spektroskopie
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Der Satellit Herschel wird vorsichtig auf die Zwischenstruktur SYLDA gesenkt, um ihn mit der Startrakete zu verbinden. Quelle: ESA |
Als bisher größtes Weltraumteleskop in der Geschichte der Astronomie ermöglicht Herschel eine ganz neue Sicht auf ein fremdes Universum in den unseren Augen verborgenen Wellenlängen des Infraroten. Bei diesen im Vergleich zum sichtbaren Licht längeren Wellenlängen lassen sich spannende astronomische Phänomene vom Sonnensystem bis zum "Rand" des Universums beobachten.
Besonders Moleküle und kühler Staub sind im Infrarot und Submillimeter Bereich sichtbar. Fast alle kühlen Körper unseres Sonnensystems, wie etwa Kleinplaneten oder Kometen, zeigen dort interessante Molekül- und Staubprozesse. Braune Zwerge, verhinderte Sterne strahlen vor allem im Infraroten. Ja fast alle spannende Phasen im Sternenleben wie Geburt und Tod werden mit Herschel besonders gut sichtbar. Auch ist das Universum durchsichtiger bei langen Wellenlängen - Herschels Kameras können so dichte Staubwolken durchdringen und dahinter Verborgenes sichtbar machen. Zuletzt verschiebt die kosmologische Rotverschiebung interessante Bereiche des sichtbaren und UV-Lichts von fernen Galaxien in das Beobachtungsfenster von Herschel.
All dies sind gute Gründe gespannt auf die ersten Daten dieses neuen Europäischen Observatoriums im All zu sein. Direkt ist die österreichische Astronomie schon im Rahmen der garantierten Beobachtungszeit - dem Lohn für die österreichischen Entwicklungsarbeiten bei Herschel-PACS - an zwei Großprojekten, den so genannten "Key Programmes", beteiligt und hat so bevorzugten Zugang.
Das Herschel-Weltraumteleskop | |
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Abmessung | ~ 7.5 x 4.0 m (Höhe x Breite) |
Masse | 3.4 Tonnen beim Start |
Raum-Stabilisierung | 3-Achsen-stabilisiert |
Teleskopgröße | 3,5 m Primärspiegeldurchmesser |
Teleskopmasse | 315 kg |
Wiss. Datenrate | 130 kbps |
Lebenszeit | 3,5 Jahre |
Einsatzorbit | Lissajous-Orbit mit einer mittleren Entfernung von 800.000 km von L2 |
Antrieb | Lageregelungs-Schubdüsen (attitude thrusters), 12 Schubdüsen, je 20 N |
Solarflächen | Flache, fix montierte Paneele - Dreifachverbindung GaAs-Zellen, Solarpaneelfläche: zirka 12 m2 |
Batterien | 39 Ah-Lithium-Ionen-Akkus |
Kommunikation | 2 Niedriggewinnantennen |
Quelle: ESA |
Neben Herschel wird auch ein zweiter Satellit in den Weltraum befördert, der nach dem deutschen Wissenschafter Max Planck benannt ist. Der Weltraumteleskop Planck bietet eine beträchtlich verbesserte Leistung für die Messung der kosmischen Mikrowellen-Hintergrundstrahlung an, die im Vergleich jene der bisherigen ballongestützten und bodennahen Experimenten sowie aller vorhergehenden weltraumgestützten Instrumente dieser Art bei weitem übersteigt.
Das Raumfahrzeug rotiert um seine auf die Sonne gerichtete Achse einmal pro Minute, um seine Raumlage zu stabilisieren. Planck verwendet diese stabilisierende Eigenrotation, um den Himmel zu scannen und beobachtet mindestens 95% des Himmels während zwei verschiedener Beobachtungszeiträume mit einer Dauer von 15 Monaten.
Das Planck-Weltraumteleskop | |
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Abmessung | 4.20 x 4.22 m (Höhe x Breite) |
Masse | 1,95 Tonnen beim Start |
Raum-Stabilisierung | Drallstabilisiert, 1 rpm |
Teleskop-Größe | 1,9 x 1,5 m Primärspiegel |
Teleskopmasse | 205 kg mit Fokalebeneneinheit |
Lebenszeit | Minimum 15 Monate, begrenzt durch Abbau des Kühlsystems |
Einsatzorbit | Lissajous-Orbit mit einer mittleren Entfernung von 400.000 km von L2 |
Antrieb | Hydrazin, 12 Schubdüsen mit je 20 N, 4 Schubdüsen mit je 1 Newton |
Solarflächen | Flache, fix montierte Drei-Flächen-Gallium-Arsenidzellen-Paneele am hinteren Teil der Raumsonde |
Batterien | 39 Ah-Lithium-Ionen-Akkus |
Kommunikation | 3 Niedriggewinnantennen |
Quelle: ESA |
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Der Satellit Planck im Reinraum in Kourou in Frazösisch-Guyana. Das Weltraumteleskop Herschel spiegelt sich im Hauptspiegel von Planck. Quelle: ESA |
Wenn alles nach Plan verläuft kann die Startrakete am 13. Mai 2009 einen Tag vor dem Start vom Integrationsgebäude zur Startrampe gebracht werden. Am Starttag wird der Treibstoff, bestehend aus flüssigem Wasserstoff und flüssigem Sauerstoff, in die Rakete gepumpt und um 13:12:00 UTC am 14. Mai 2009 erfolgt die Zündung der Trägerrakete. Dann bringt sie die zwei Satelliten direkt zum Beobachtungsorbit in 1,5 Millionen Kilometer Entfernung von der Erde, wo die wissenschaftliche Mission nach einer Testphase von rund einem Monat beginnen kann. Sollte es einen Startabbruch geben, kann ein neuer Startversuch erst wieder in der darauf folgenden Woche durchgeführt werden. Also hoffen wir alle, dass diesmal alles klappt!
Weitere Informationen im Internet:
Herschel:
http://www.esa.int/esaSC/120390_index_0_m.html
http://sci.esa.int/science-e/www/area/index.cfm?fareaid=16
http://herschel.esac.esa.int/home.shtml
http://herschel.esac.esa.int/latest_news.shtml
http://www.univie.ac.at/space/HERSCHEL/
Planck:
http://www.esa.int/esaSC/120398_index_0_m.html
http://sci.esa.int/science-e/www/area/index.cfm?fareaid=17
http://www.rssd.esa.int/index.php?project=Planck
Arianespace:
http://www.arianespace.com/index/index.asp
Alle Rechte beim Autor: Dr. Christian Reimers